Grüne bleiben Rot-Grün
Özdemir: Wir reden uns die SPD nicht schön - klare Koalitionaussage sei aber dennoch richtig
Berlin (Agenturen/nd). Mit einem Appell zum Machtwechsel nach der Bundestagswahl im September haben die Grünen am Freitag in Berlin ihren Parteitag in Berlin eröffnet. »Diese Regierung ist fleischgewordener Stillstand«, sagte Spitzenkandidat Jürgen Trittin vor den Delegierten. Kontroversen werden auf dem Delegiertentreffen zur Steuerpolitik und zur Koalitionsaussage erwartet.
»Ein Ende von Schwarz-Gelb gibt es nur mit starken Grünen«, rief Trittin unter dem Beifall der Delegierten. Erneut erteilte er einer Koalition mit der CDU/CSU eine klare Absage. »Mit solchen korrupten Amigos wie dem Schmid regieren wir nicht. Wir sorgen dafür, dass sie abgewählt werden«, sagte Trittin mit Blick auf den zurückgetretenen bayerischen CSU-Fraktionschef Georg Schmid, der wegen eines mit Steuermitteln finanzierten Jobs für seine Frau zurückgetreten war.
Die rund 800 Delegierten lehnten später einen Antrag ab, der sich unter anderem gegen einen „rot-grünen Wahlkampf“ mit gemeinsamen Auftritten aussprach. Kein Grüner werde sich die SPD schönreden, versprach Parteichef Cem Özdemir. „Wir werden einen rein grünen Wahlkampf machen.“ Es sei dennoch richtig, die Koalitionsaussage deutlich ins Programm zu schreiben. Spitzenkandidat Jürgen Trittin hatte die Sozialdemokraten zuvor als einzigen Koalitionspartner bezeichnet, mit dem der erwünschte grüne Wandel gelingen könne. „Man kann mit ihnen koalieren, aber es ist verdammt viel Arbeit“, räumte Trittin ein.
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Am späteren Freitagabend wollen die Delegierten außerdem über die Positionen zur Energie- und Wirtschaftspolitik im Wahlprogramm entscheiden. In Dutzenden Abstimmungen sollen bis Sonntag ökologische und soziale Forderungen bestimmt werden, die die meisten Grünen gemeinsam mit der SPD umsetzen wollen. Es gehe um eine gerechtere Verteilung des Wohlstands in Deutschland, sagte Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke zum Auftakt am Freitag in Berlin. Als Gastredner wird am Samstag SPD-Chef Sigmar Gabriel erwartet.
»Wir wollen ein Deutschland, das eine erfolgreiche Energiewende hinlegt«, sagte Trittin der Deutschen Presse-Agentur kurz vor dem Beginn am Freitag. »Wir wollen ein Deutschland, das gerechter ist.« Die, die heute wenig haben, sollten künftig über mehr Einkommen verfügen. »Wir wollen den Skandal beenden, dass Deutschland bei der Vermögensbesteuerung eine Steueroase ist«, so Trittin weiter. »Und wir wollen ein moderneres Deutschland.« Gleiche Rechte von Frauen und Männern müssten durch eine Quote abgesichert werden.
Bei den Steuer- oder Arbeitsmarktreformen herrschen inder Partei unterschiedliche Ansichten zum Tempo und Umfang der Vorhaben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte, »dass wir der Wirtschaft keine unzumutbaren Belastungen aufbürden dürfen«. Auch übertriebene Steuererhöhungen seien immer Teil der Programmentwürfe gewesen. In einer Wahlperiode könne man nicht mehr als zwei zentrale Steuern erhöhen. »Das ist nicht so leicht umgesetzt wie in ein Parteiprogramm geschrieben«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung«.
Zugleich kündigte der Parteirealo aber an, die geplante Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent im Grundsatz mittragen zu wollen. Konkret warnte er vor allem vor der Forderung nach einer Vermögenssteuer, die aber nur als mittelfristiges Ziel gilt. Trittin versicherte: »90 Prozent der Einkommensteuerzahler werden durch die grünen Steuervorschläge entlastet.« Das betreffe Arbeitnehmer mit einem Brutto-Einkommen von bis zu 60.000 Euro.
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