Noch ein Pleiteprojekt
Kurz vor Beginn der A100-Verlängerung weisen Gegner auf Mängel hin
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Oberbürgermeister Klaus Wowereit (SPD) setzen die Schaufel an. Es ist der erste Spatenstich für ein neues Prestigeprojekt, direkt vor dem Berliner Regierungssitz: Statt der Verlängerung der A100 werde nun die Stadtautobahn vom Alexanderplatz zum Neptunbrunnen gebaut. »Wir feiern dieses historische Vorhaben, für das lediglich das Rote Rathaus abgerissen werden muss«, kommentiert ein Moderator.
Allerdings ist das Ganze nur Satire: Die Politiker sind verkleidete Aktivisten der Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS), die gemeinsam mit dem Aktionsbündnis »A100 stoppen« am Sonntag zur Kundgebung gegen die Autobahnverlängerung aufgerufen hatte. Denn schon am Mittwoch soll die beginnen, ebenfalls mit einem Spatenstich in feierlicher Runde.
● Mammutprojekt: Mit bis zu 500 Millionen Euro ist der Streckenausbau der A 100 von der Grenzallee bis zum Treptower Park das teuerste Autobahnstück in der deutschen Geschichte. Grund für die hohen Kosten sind u.a. der Flüsterasphalt und andere Lärmschutzmaßnahmen.
● Umgebungsfresser: 650 Bäume, 100 Wohnungen, 20 Gewerbebetriebe und 350 Kleingärten müssen der 3,2 Kilometer langen Strecke weichen.
● Ost-West-Vereinigung: Seit den 1950ern wird an der A 100 gebaut, die ursprünglich als Ring konzipiert war - sollte es zur Wiedervereinigung kommen. Der 16. Bauabschnitt ist das erste Teilstück im Osten der Stadt.
● Abgetaucht: Auf weiten Teilen ist eine Trogkonstruktion vorgesehen. Die Autobahn liegt dort unter dem Straßenniveau.
● Höchstwerte: Die Stadtverwaltung schätzt ein Verkehrsaufkommen von 60 000 bis 100 000 Autos pro Tag. Höchstbelastungen wie am Funkturm mit 200 000 Fahrzeugen täglich seien nicht zu erwarten. mag
Zehn Jahre lang werden die Bauarbeiten an dem 3,2 Kilometer langen 16. Bauabschnitt von der Grenzallee zum Treptower Park dauern, bis zu 500 Millionen Euro soll er kosten. »Wir wollen den Wahnsinn dieses Großprojekts deutlich machen«, sagt Harald Moritz, in der BISS seit 1990 engagiert und verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. Die A100-Gegner sehen nach wie vor im Ausbau der Autobahn eine Verschwendung von Steuergeldern, die den innerstädtischen Verkehr verstärke statt zu verringern und zu Ungunsten anderer, umwelt- und bürgerfreundlicher Maßnahmen gemacht werde. »Dabei bringt es den Senat seinen verkehrspolitischen Zielen nicht einmal näher«, sagt Moritz. Statt aus der Stadt werde der Verkehr in sie hinein geleitet. »Es wird nur Verlierer geben«, ist er sich sicher. Zudem sei die Finanzierung nicht geregelt, für den 17. Bauabschnitt vom Treptower Park zur Frankfurter Allee sehe es noch kritischer aus: »Die wissen nicht, wie sie die Spree überqueren sollen, wer das bezahlen soll - die wissen überhaupt nichts«, so Moritz. Auch Grünen-Vorsitzender Daniel Wesener befürchtet, »dass SPD und CDU der Stadt ein weiteres Pleiteprojekt bescheren«.
An dem Mammutprojekt scheiterten im Herbst 2011 auch die Koalitionsverhandlungen zwischen den Berliner Grünen und der SPD. Wowereit habe die Autobahn »geschickt instrumentalisiert, um eine widerstrebende SPD und eine kritische Öffentlichkeit von einer Großen Koalition zu überzeugen«, so Wesener.
Die Stadtverwaltung hält dagegen: Der Bau sei notwendig, um den Ostteil der Stadt besser an das Verkehrssystem anzuschließen und die Gesamtbelastung durch den Kfz-Verkehr zu verringern. Der Ausbau des inneren Rings sei Voraussetzung für eine wirtschaftliche Entwicklung und eine bessere Lebensqualität. Im Oktober letzten Jahres verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht den Berliner Senat dagegen, beim Lärmschutz nachzubessern.
Auch am Tag des Baubeginns wird es eine Protestaktion geben. Am 8. Mai wollen die Kritiker unter dem Motto »Wir pfeifen auf die Verlängerung der Stadtautobahn A100!« mit einer Demonstration den symbolischen Spatenstich von Bundesverkehrsminister Ramsauer und Berlins Verkehrssenator Michael Müller (SPD) an der Anschlussstelle Grenzallee begleiten. Startpunkt ist das Protestcamp Neuköllnische Allee 33, Ecke Grenzallee.
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