Chance vertan
Im Jahr 2000 wurde die erste Babyklappe in Deutschland eröffnet, seither sind weitere Klappen und Angebote zur anonymen Geburt entstanden. Bis heute gibt es dafür keine rechtliche Regelung. Laut Gesetz existiert nur eine legale Form der Kindesabgabe: die Freigabe eines Kindes zur Adoption. Dennoch werden Babyklappen und Angebote zur anonymen Geburt geduldet, von staatlichen und kirchlichen Krankenhäusern betrieben, ebenso wie von Privatpersonen. Wie viele Einrichtungen es gibt, wissen selbst staatliche Stellen nicht genau. Wie viele Kinder insgesamt in Deutschland anonym abgegeben werden, ist ebenfalls nicht bekannt.
Terre des hommes fordert seit vielen Jahren die Schließung von Babyklappen, denn sie verhindern keine Kindstötungen und verletzen das Grundrecht eines Kindes auf Wissen um seine Herkunft. Auch der Ethikrat des Deutschen Bundestages hat vor vier Jahren in einer Stellungnahme ein Ende dieser Einrichtungen gefordert und sich für ein Gesetz zur Regelung einer vertraulichen Geburt ausgesprochen.
Wie die von terre des hommes erhobenen Zahlen zeigen - eine Statistik des Bundes gibt es nicht -, ist kein Rückgang der Tötung oder Lebendaussetzung von Neugeborenen zu erkennen. Im Jahr 1999, als es in Deutschland noch keine einzige Babyklappe gab, wurden 21 Neugeborene tot und 13 lebend aufgefunden. 2012 wurden trotz dieser Einrichtungen 27 Neugeborene getötet und zehn Babys lebend ausgesetzt. In diesem Zusammenhang weisen Fachleute darauf hin, dass Frauen, die ihr Kind nach der Geburt töten oder aussetzen, in Panik handeln und in dieser Situation von Angeboten wie Babyklappen nicht erreicht werden.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Kritik kündigte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) im April 2012 eine Gesetzesinitiative zur Einführung des Angebots zur sogenannten vertraulichen Geburt an. Das Kabinett hat kürzlich einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Einführung der vertraulichen Geburt vorsieht.
Positiv sieht terre des hommes die Absicht, Beratungsangebote für schwangere Frauen in Konfliktlagen deutlich zu verbessern und Frauen die legale Möglichkeit zu geben, ein Kind unter fachlicher medizinischer Begleitung zu entbinden. Frauen, die vertraulich entbinden, wird eine befristete Anonymität zugesichert. Erst nach Erreichen des 16. Lebensjahres hat das betroffene Kind in Zukunft das Recht, die Identität seiner leiblichen Mutter zu erfahren. So wird sowohl den Interessen der Mutter als auch dem verfassungsrechtlich gesicherten Recht des Kindes auf Wissen um seine Herkunft Rechnung getragen.
Leider aber soll laut Gesetzentwurf die anonyme Kindesabgabe weiter geduldet werden. Damit ist die Chance vertan, die illegale Praxis der Babyklappen und anonymen Geburt zu beenden. Betreiber von Babyklappen argumentieren zwar, ihre Angebote seien notwendig, um einer wachsenden Zahl notleidender Frauen zu helfen. Dieses Argument aber trägt nicht: Wenn tatsächlich immer mehr schwangere Frauen in Deutschland in eine solche verzweifelte Notlage geraten, dann ist der Staat mit einer geeigneten Sozialpolitik gefragt. Babyklappen sind dafür denkbar ungeeignet.
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