Die Kosaken erkannten Napoleon nicht

Vor 200 Jahren: Die Schlacht bei Bautzen - das sächsische Borodino

  • Armin Jähne
  • Lesedauer: 6 Min.

Es waren die ersten Russen in der Oberlausitz. Am 12. März 1813 rückte Obrist Prendel mit 300 Kosaken in Bautzen ein. Sie zu bestaunen, liefen die umwohnenden Landsleute in Scharen in die Stadt. Unterdessen war der sächsische König, ein Verbündeter Napoleons, nach Prag geflüchtet. Die Dresdener Schätze wurden vor »den Russen« auf den Königsstein in Sicherheit gebracht. Schon bald tauchten Kosaken in vielen Oberlausitzer Dörfern auf, um dort zu biwakieren und zu fouragieren: Kein Huhn, keine Gans entkam ihren langen Lanzen. Sachsen war für sie Feindesland.

Nach Napoleons Desaster in Russland 1812 ging es für die verbündeten Russen und Preußen nur noch voran - westwärts über Oder und Elbe, durch Schlesien und die Oberlausitz fast bis Leipzig. Doch dann siegte Napoleon, der eine neue Armee aufgestellt hatte, am 2. Mai 1813 bei Großgörschen, und das Blatt schien sich zu wenden. Die Verbündeten machten kehrt, verließen Dresden, das nicht zu halten war, und zogen sich - entlang der heutigen Bundesstraße 6 - in Richtung Königsbrück und Hoyerswerda/Königiswartha zurück. Am 12. Mai wurde Bischofswerda aufgegeben und von französischen Truppen, darunter auch Sachsen, besetzt und geplündert. Am späten Abend fing die Stadt Feuer und brannte bis auf drei Häuser völlig nieder.

Als Napoleon am 16. Mai von einem Hügel schweigend auf die Brandstätte schaute, muss sie wie ein Menetekel gewirkt haben. Nach der Schlacht bei Borodino 1812 war Moskau in Flammen aufgegangen, gleichsam die kommende Katastrophe des französischen Heeres ankündigend. Jetzt, vor einer neuen Schlacht, hatte Feuer das kleine Bischofswerda in Schutt und Asche gelegt. Immerhin: 100 000 Franken stiftete Napoleon für den Wiederaufbau.

Gut eine Woche hatten die Verbündeten Zeit, entlang der Spree eine Verteidigungslinie auf- und auszubauen. Ihr Zentrum war das hochgelegene Bautzen. Die rechte Flanke mit dem Korps Kleist ging über Burk hinaus mit einem Schwenk nach Nordosten; die linke mit den Truppen unter Miloradowitsch reichte bis Doberschau und lehnte sich an die Czorneboh- Bergkette an. Die eigentliche Hauptkampflinie war etwas zurückgesetzt und verlief von Litten über Baschütz südwärts. Hier erwarteten u. a. die Korps Blücher und York den Gegner. Dahinter befand sich eine weitere Staffelung vor allem mit russischen Garden, Kürassieren und Grenadieren. Die dritte Westarmee unter dem russischen Generalleutnant Barclay de Tolly schloss rechts an die Kreckwitzer Höhen an.

Die Verteidigungslinien waren durch die zu Schanzarbeiten befohlene örtliche Bevölkerung verstärkt worden. Die Tiefenstaffelung der Verbündeten sollte sich als eine ihrer Stärken erweisen. Dahingegen bot die Beschaffenheit des Geländes der den Franzosen überlegenen Reiterei der Verbündeten kein Maximum an Entfaltungsmöglichkeiten. Ungünstig wirkte sich auch das wiederholte Eingreifen des militärisch unbedarften russischen Zaren aus.

Napoleon hingegen handelte führungsstark, wollte durch Angriffe auf den linken Flügel des Gegners von seiner Hauptkampfrichtung im Norden ablenken. Doch die Russen und Preußen durchschauten seinen Plan und setzten zusätzlich Truppen nach Königswartha in Bewegung. Fast wäre Napoleon am 19. Mai bei einem Erkundungsritt gefangen genommen worden. Zu seinem Glück ahnten die ihm sehr nahe gekommenen Kosaken nicht, wen sie da vor sich hatten.

Am Folgetag, gegen Mittag, erteilte Napoleon seinen Truppen den Angriffsbefehl. 16 Uhr wurde Bautzen eingenommen, 18 Uhr Niedergurig und um 19 Uhr die gesamte südliche erste Linie durchbrochen. Dort drängten die Verbündeten den Gegner am späten Abend mit einem kräftigen Gegenstoß teilweise auf seine Ausgangsposition zurück. Napoleon quartierte sich zur Nacht in Bautzen ein. Am 21. Mai, um sechs Uhr morgens, wurden die Kampfhandlungen wieder aufgenommen. Im zügigen Angriff trieben die Russen den linken Flügel der französischen Truppen zurück an die Spree. Fast wäre deren gesamter Artilleriepark verloren gegangen, wenn sich die Schlacht nördlich von Bautzen ebenso entwickelt hätte. Hier aber hatten die Verbündeten das Nachsehen. In hartem Ringen zwangen die Franzosen den Gegner zur Aufgabe seiner Stellungen.

Besonders heftige Kämpfe tobten um das Dorf Preititz und die Kreckwitzer Höhen. Hier leisteten die Korps Blücher und Kleist erbitterten Widerstand. Sie hatten sich namentlich der württembergischen und sächsischen Hilfstruppen Napoleons zu erwehren. Unter den Sachsen tat sich besonders die reitende Batterie Probsthayn hervor, der es offenbar völlig gleichgültig war, dass sie hier in fremdem Interesse gegen deutsche Patrioten kämpfte. Welch Gegensatz zu dem in Dresden geborenen Theodor Körner, der am 5. April in Bautzen seinen »Aufruf an das sächsische Volk« zum gemeinsamen Kampf gegen Napoleon verfasst hatte.

Nach 15 Uhr musste Blücher widerwillig die Kreckwitzer Höhen räumen. Und nun geschah das, was eigentlich nicht hätte passieren dürfen. Der siegreiche französische Marschall Ney verfolgte - entgegen Napoleons Plan - den abziehenden Gegner nicht. Die große Chance, die Verbündeten vom Osten her zu umfassen, wurde vertan. Russen und Preußen zogen sich in voller Ordnung nach Weißenberg, Löbau, Reichenach und Görlitz zurück. Gegen Abend kam es bei Wurschen, wo sich die Russen unter Barclay de Tolly festgesetzt hatten, noch einmal zu einem zweistündigen, für die Franzosen siegreichen Gefecht. Aus diesem Grund wird in Frankreich die Schlacht bei Bautzen als »Schlacht bei Wurschen« bezeichnet und ist als solche auch auch auf dem Pariser Triumphbogen verewigt.

Napoleon war jedoch vom Ausgang der Schlacht enttäuscht. Zwar hatte er gesiegt, aber an die 30 000 Tote, Verwundete und Gefangene waren zu beklagen. Die Verluste der Verbündeten betrugen etwa elf- bis achtzehntausend Mann. Als ihm gemeldet wurde, dass es weder Gefangene noch erbeutete Fahnen und Geschütze gäbe, soll er ausgerufen haben: »Wie, nach solcher Schlächterei keine Gefangenen? Diese Menschen werden mir nicht einmal einen Nagel lassen!« Die Schlacht bei Bautzen war ähnlich wie die bei Borodino für Napoleon kein wirklicher Erfolg. Zwar marschierten die Franzosen weiter und erreichten sogar am 4. Juni einen Waffenstillstand (in Breslau), aber die nötige militärische Schlagkraft war dahin. Es folgte am 26. August die Schlacht an der schlesischen Katzbach, die wie die Schlacht bei Tarutino (südlich Moskaus) die Wende brachte. Napoleon war das militärische Rückgrat gebrochen.

Indes, hätte Ney nach dem Sieg am zweiten Tag der Schlacht bei Bautzen mit der Verfolgung des Gegners nicht gezögert, wäre die Niederlage der Verbündeten wohl verheerend ausgefallen und die Weltgeschichte hätte eine andere Wendung genommen. So aber folgte im Herbst des Jahres die Völkerschlacht bei Leipzig. Die Oberlausitz aber war 1813 zweifellos die am meisten vom Krieg geschundene deutsche Landschaft.

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