Innensenator steckt im NSU-Sumpf
Nach neuerlichem Fehler kündigt Henkel personelle Konsequenzen an
Beim Durchforsten von Akten von V-Personen hat das Berliner Landeskriminalamt (LKA) am Wochenende erneut einen Hinweis auf einen Beschuldigten aus dem Umfeld des rechtsterroristischen »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) entdeckt. Wie bereits in der Woche zuvor bei fünf weiteren Hinweisen war auch diese Fundstelle nicht vom LKA an den Bundestagsuntersuchungsausschuss zum NSU weitergeleitet worden.
Innensenator Frank Henkel (CDU) räumte gestern gegenüber den Abgeordneten des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses den neuerlichen Behördenfehler ein. Henkel sprach dabei nicht mehr von einer Panne, sondern von einer »unbedarften Schlamperei«. Es sei ihm heute nicht mehr möglich, sich schützend vor die Polizei zu stellen. Der Leiter des Landeskriminalamtes, Christian Steiof, habe am vergangenen Wochenende den Hinweis auf das Umfeld des NSU in den Akten zur »VP 620« entdeckt, so Henkel. Demnach handelt es sich um einen Treffbericht der V-Person, in dem dieser einen Hinweis auf Jan Werner gibt, jenen sächsischen Neonazi, der als Beschuldigter im NSU-Verfahren von der Bundesanwaltschaft geführt wird. Aus Sicht der Berliner Innenbehörde habe der Hinweis jedoch keine Relevanz hinsichtlich der Aufklärung des NSU, betonte Henkel.
Als Sofortmaßnahme aus dem Übertragungsfehler kündigte der Innensenator an, alle Akten von V-Personen aus dem Bereich Rechts in das Gebäude der Innenbehörde in der Klosterstraße zu überführen. Dort sollen die Aktenbände dann erneut von einer Auswertungsgruppe der Verwaltung auf Fundstellen und Verbindungen zum NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sowie vor allem zu deren Umfeld, das sich in der sogenannten 129er Liste der Bundesanwaltschaft widerspiegelt, untersucht werden. Sobald diese Untersuchung abgeschlossen ist, sollen die Abgeordneten einen Bericht erhalten. Henkel kündigte überdies weitergehende Konsequenzen an: »Das dieser erneute Vorfall nicht ohne personelle Folgen bleiben kann, versteht sich von selbst.«
Dem schloss sich auch der Polizeipräsident Klaus Kandt an. Er kündigte neben Veränderungen von Organisationsabläufen ebenfalls personelle Veränderungen an, um »frischen Wind« in die für die V-Personen zuständige Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes zu bringen. Zugleich rechtfertigte der Polizeipräsident die Fehlerserie jedoch mit einer »Ausnahmesituation« beim Staatsschutz, die mit einer »Vielzahl von besonderen Belastungen« zusammenhängen würde. Insgesamt musste das Landeskriminalamt demnach 2000 Treffberichte mit Hinweisen auf 3200 Personen abgleichen. In diesem komplexen Prozess waren die Fehler der vergangenen und dieser Woche geschehen.
Angesichts der neuerlichen Fehlerkette bei der Polizei forderten die Grünen unterdessen den Rücktritt von Innenstaatssekretär Bernd Krömer, »Die Zeit der Bauernopfer muss vorbei sein«, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, in Richtung des Innensenators. Ein paar Veränderungen bei den Dokumentationspflichten reichten jedenfalls nicht mehr aus.
Für die Linkspartei kommen die Ankündigungen des Innensenators zu spät. »Die Rede, die Sie gehalten haben, hätten Sie vor einem Jahr halten sollen«, sagte der Innenexperte der LINKEN, Udo Wolf. Er wertete die schlechte Arbeit bei der Polizei als »Katastrophe«. Aus Sicht der LINKEN müsse nun Henkel mit seiner eigenen politischen Verantwortung sicherstellen, dass in Berlin endlich mit der nötigen Sensibilität beim Thema NSU ermittelt werde.
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