Wer Kultur will, soll sie auch bezahlen

Kritiker monieren eine potenziell abschreckende Wirkung der geplanten Übernachtungssteuer

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin braucht Geld. Und in der Hauptstadt nächtigen jedes Jahr immer mehr Touristen - ist es da nicht naheliegend, diese an der Lösung des Problems zu beteiligen? Das dachte sich jedenfalls der Berliner Senat und legte einen Gesetzesentwurf für die Einführung einer Übernachtungssteuer, der »City Tax«, ab dem 1. Juli vor. Fünf Prozent des Übernachtungspreises sollen Touristen künftig draufzahlen, die Einnahmen sollen zur Hälfte in das Kultur- und Tourismusangebot der Stadt fließen, zur anderen Hälfte sonstige Haushaltslöcher stopfen. Ab heute wird der Entwurf im Abgeordnetenhaus beraten. Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema, zu der die Grünen-Fraktion eingeladen hatte, ist bereits viel Unmut über die geplante Steuer zu spüren - die Gäste eint die Kritik am momentanen Entwurf.

Der Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, Willy Weiland, findet erwartungsgemäß besonders ablehnende Worte für die neue Steuer. »Die Bedürfnisse unserer Branche wurden schlichtweg ignoriert, das ist respektlos und undemokratisch. So macht man keine Politik«, sagt er. Seine größte Kritik: es müsse möglich sein, die Steuer auf der Rechnung getrennt vom Übernachtungspreis auszuweisen. Wenn sie, wie bisher vorgesehen, direkt in den Übernachtungspreis mit eingehe, sei die Erhebung für den Gast nicht mehr nachvollziehbar. »Am Ende wird dann die Hotellerie diese Steuer zahlen müssen, wenn sie ihre Übernachtungspreise halten will«, so Weiland. Dafür gibt es Zustimmung von zahlreichen Hoteliers aus dem Publikum wie auch von der Tourismuszuständigen der Industrie- und Handelskammer (IHK), Sonja Heimeier. Sie befürchtet, dass Gäste mit schmalem Budget - die in Berlin einen großen Anteil der Touristen ausmachen - sich nach Einführung der Steuer gegen Berlinreisen entscheiden könnten.

»Gerade bei Klassenfahrten und Pauschalreisen können selbst wenige Euro den Unterschied machen«, sagt auch Jörg Zintgraf vom Reiseveranstalter StattReisen. Verschiedene Branchenvertreter verweisen außerdem auf den Mehraufwand, der mit der Erfassung der Steuer auf sie zukomme. Da die Steuer nur für Privatreisende, nicht aber für Geschäftsleute geplant sei, müssen Touristen beim Einchecken künftig ein entsprechendes Formular zu ihrem Reisezweck ausfüllen - abgesehen von starken datenschutzrechtlichen Bedenken halten viele Hoteliers diese Maßnahme auch für zu aufwendig.

Für Christophe Knoch von der Koalition der Freien Szene ist es da keine ganz leichte Aufgabe, trotzdem für die City Tax zu werben. Auch er sieht in der Umsetzung des geplanten Gesetzes großen Verbesserungsbedarf, betont aber die grundsätzliche Notwendigkeit einer solchen Steuer - und vor allem der Verwendung des Geldes zur Finanzierung der Freien Szene. »Bis zu achtzig Prozent der Touristen kommen wegen der Kultur nach Berlin, und zwar nicht nur wegen der großen Häuser, sondern besonders auch wegen der einzigartigen freien Kulturszene, die wir hier haben«, so Knoch. Nur fünf Prozent des Kulturetats der Stadt würden an die freie Szene gehen, die deshalb dringend frisches Geld benötige. Die City Tax sei da grundsätzlich eine gute Möglichkeit.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Nicole Ludwig, plädiert ebenfalls für eine Verwendung des Geldes zur Kulturförderung. Die Fraktion wolle sich dafür einsetzen, dass aus der Steuer eine zweckgebundene Kulturabgabe werde, die extra ausgewiesen werden kann. »Wenn man mit den Touristen auf der Straße spricht, finden viele eine solche Abgabe sinnvoll, solange sie wissen, dass sie für eine gute Sache verwendet wird.«

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