Brandstiftung unter der Brücke

Vorfall zeigt, wie angespannt die Situation der Obdachlosen in Hamburg ist

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Sozialverbände in Hamburg fordern mehr Unterkünfte für Menschen, die auf der Straße leben. Aktueller Anlass: Ein Obdachlosencamp wurde angezündet. Bewohner kamen nicht zu Schaden.

Es riecht nach geschmolzenem Plastik und kalter Asche. Am vergangenen Sonnabend wurde ein Obdachlosencamp unter der Hamburger Kennedybrücke angezündet. Im Schutt liegen angekohlte Bücher, verbrannte Campingstühle und andere Habseligkeiten. Die neun Bewohner, die unter der Alsterbrücke in sieben Zelten campierten, kamen nicht zu Schaden, weil sie vorsorglich ausgezogen waren. Sie seien von Jugendlichen bedroht worden, die behaupteten, das Areal unter der Brücke sei »ihr Revier«. Die Obdachlosen hatten deswegen auch Anzeige erstattet. Mittlerweile hat ein 17-Jähriger, ebenfalls wohnungslos, gestanden, die Tat begangen zu haben. Er wurde dem Haftrichter zugeführt. Nach Polizeiangaben hatte es einen Streit zwischen jüngeren und alteingesessenen Obdachlosen gegeben. Vermutlich aus Rache zündete der 17-Jährige das Camp an.

Während auf der Außenalster Segler scheinbar sorglos ihrem Hobby frönen und oben auf der Kennedybrücke Jogger ihre Runden drehen, haben sich am späten Nachmittag rund 50 Menschen darunter versammelt. Das Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot hatte zu der Kundgebung aufgerufen. Dem Bündnis gehören freie Träger der Wohnungslosenhilfe und den Wohlfahrtsverbänden wie der Ambulanten Hilfe Hamburg, dem Caritasverband und dem Diakonischen Werk an. Auch die Obdachlosenzeitung »Hinz und Kunzt« unterstützt die Initiative.

»›Platte machen‹ ist kein Camping«, erklärt Stephan Karrenbauer, Sprecher von »Hinz & Kunzt«, »Zelte und Isomatten sind leicht brennbar. Es braucht nur eine Kerze umzufallen, schon brennt alles«. Karrenbauer sprach auch das Thema Gewalt gegen Obdachlose an, die die Betroffenen häufig nicht zur Anzeigen brächten. »Wir fordern den Senat auf, Unterkünfte zu schaffen, die auch angenommen werden. Wir brauchen Unterkünfte, in denen die Menschen sich erholen und die Tür hinter sich zumachen können.«

Damit spielte Karrenbauer auf die Situation in den Notquartieren »Pik As« (210 Plätze) in der Neustadt und in der Spaldingstraße (230 Plätze) nahe dem Hauptbahnhof an. Das ehemalige Bürohaus in der Spaldingstraße wird nur während des Winternotprogramms genutzt. Das »Pik As« hat das ganze Jahr über geöffnet. In beiden Einrichtungen müssen Menschen zusammen mit anderen in Mehr-Bett-Zimmern nächtigen. Viele Betroffene meiden daher diese Häuser, weil sie befürchten, dort bestohlen zu werden und es durch exzessiven Alkoholkonsum oftmals zu Gewaltausbrüchen kommt.

Aktuelle Angaben über die Zahl der Obdachlosen in Hamburg gibt es nicht. Nach einer Erhebung von 2009 im Auftrag der Sozialbehörde waren 1029 Menschen ohne Dach über dem Kopf. Doch inzwischen hat sich die Situation durch den Zuzug von Arbeitssuchenden aus Polen, Bulgarien und Rumänien verschärft. Da diese sich kaum ein billiges Hotelzimmer geschweige denn eine Wohnung leisten können, suchen viele im Winter die Notquartiere auf. Um dieser Entwicklung zu begegnen, ging die Sozialbehörde 2011 dazu über, von diesem Personenkreis einen Nachweis über den Anspruch auf Grundsicherung zu verlangen. Dieses Vorgehen stieß wiederum auf die Kritik der Sozialverbände. Die Einrichtungen dürften nicht nur für Deutsche sein, hieß es. Doch eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht, zumal seit einigen Monaten Afrikaner aus Italien nach Hamburg kommen, die hier auf Jobsuche sind, aber nur eine Arbeitserlaubnis für Italien haben.

Das Aktionsbündnis fordert eine Verbesserung der Notquartieren und mehr Einzelzimmer. Das Bündnis will auch das städtische Wohnungsunternehmen Saga/GWG in die Pflicht nehmen. Die Saga/GWG mit ihren rund 130 000 Wohnungen müsse mehr Raum für Obdachlose zur Verfügung stellen.

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