Nächste Vorstellung: Kulturabbau
In Sachsen-Anhalt erreicht der Protest gegen die Sparpolitik nun auch Theater und Museen
Vor dem üppigen Dekolleté hängt ein rotes Schild. »Ich bin zu teuer«, ist darauf zu lesen. Die Dame, die an eine Figur der Muppetshow erinnert, ist Kulturschaffende in Sachsen-Anhalt; am Puppentheater Halle spielte sie im Shakespeare-Klassiker »Wie es euch gefällt«. Gestern schwebte sie auf dem Hallenser Markt an einer Stange hoch über den Köpfen vieler weiterer Kulturschaffender, die sich ähnliche Schilder umhängen könnten: Auch sie sind - zumindest nach Meinung der Landesregierung von Sachsen-Anhalt - zu teuer.
Allerdings gefällt diese Sicht den Orchestermusikern, Schauspielern und Beschäftigten in den Museen und Bibliotheken durchaus nicht, weshalb sie gestern zu einem ersten landesweiten Aktionstag gegen Kulturabbau bliesen. Es sei »5 vor 12«, ist auf den roten Karten zu lesen, die kurz vor Mittag demonstrativ emporgereckt werden. Die Kultur sei »akut in ihrer Substanz bedroht«, heißt es im Aufruf zur Aktion; von »kulturellem Kahlschlag« im Land ist die Rede.
Nicht, dass die Kultur nicht schon bisher zur Ader gelassen worden wäre. Vor 20 Jahren gab es noch 748 Orchestermusiker im Land, heute sind es 373, sagt der Landtagsabgeordnete Swen Knöchel von der LINKEN. Doch es drohen wohl weitere Einschnitte.
Zwar sollen offizielle Zahlen erst nach der Haushaltsklausur des in Sachsen-Anhalt regierenden CDU/SPD-Kabinetts kommende Woche genannt werden. Doch dem Vernehmen nach soll der Kulturetat von 85 auf 75 Millionen Euro eingedampft werden. Den Theatern droht ein Rückgang von 36 auf 29 Millionen. Dabei verzichten die Beschäftigten schon jetzt auf rund zehn Prozent ihres Einkommens, sagt Ulrich Katzer, Geschäftsführer des Landesverbands Ost im Deutschen Bühnenverein. Der Kulturkonvent, in dem Verbände, Interessengruppen und Kultureinrichtungen ein Jahr lang über die Zukunft der Kultur berieten, war zu anderen Schlüssen gekommen. Er erachtete eine Aufstockung des Kulturetats auf 100 Millionen Euro für notwendig. Doch die Regierung ignoriert die Forderung. Er habe das Gefühl, in einer »Alibiveranstaltung« gearbeitet zu haben, schimpft Katzer.
Die Regierung um Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bezeichnet das Eindampfen des Landesetats als alternativlos - und bringt damit nach den Hochschulangehörigen nun auch die Kulturschaffenden gegen sich auf. Diese gingen gestern in Magdeburg und Halle, Dessau, Halberstadt und Naumburg zu Tausenden auf die Straße. Die Aktion sei der Beginn eines »demokratischen Kulturkampfs«, sagte Matthias Brenner, Intendant des »neuen theaters« in Halle.
Eine große Kundgebung samt Orchester gab es am Nachmittag vor der Leopoldina. In dieser Akademie der Wissenschaften waren gestern die Fraktionen des Landtags zu Gast. Sie stärken den Protestierenden teilweise den Rücken. So übt die Linksfraktion in einem gestern verabschiedeten Beschluss harsche Kritik am Kurs der Regierung, die den Abbau der öffentlichen Daseinsvorsorge betreibe und sich mit ihren Sparzielen an den »bundesweit schlechtesten Standards« orientiere. Die Genossen betonten, sie befänden sich »grundsätzlich in Opposition zu dieser Politik der Landesregierung«. Darüber hinaus sei »gesellschaftlicher Widerstand notwendig«, hieß es. Der fand vor der Leopoldina bereits statt - und zwar im Wortsinne mit Pauken und Trompeten.
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