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Antirassismusklausel für Brandenburgs Verfassung
Initiative der LINKEN von 2008 wird umgesetzt
Brandenburgs Landtag beabsichtigt, den Begriff Rasse aus der Landesverfassung zu streichen. Gleichzeitig soll eine Antirassismusklausel eingefügt werden. Der Vorschlag stamme von Parlamentspräsident Gunter Fritsch (SPD) und werde von Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg unterstützt, sagte der SPD-Abgeordnete Klaus Ness am Mittwoch. Alle Landtagsparteien haben in drei Sitzungen darüber beraten - in »sehr konstruktiver Atmosphäre«. Das fiel Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) auf. Er würde sich wünschen, dass dies auch bei anderen Gelegenheiten so klappt.
Die CDU entschied allerdings am Ende, dass sie eine Antirassismusklausel ablehnt. »Wir sehen keinen Änderungsbedarf«, erklärte CDU-Politiker Björn Lakenmacher. Mit der Vorschrift, die Würde des Menschen sei unantastbar, verbiete die Verfassung bereits jetzt jeglichen Rassismus und Ex-tremismus, begründete er den Entschluss der CDU.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg hat in einem offenen Brief an die Landesregierung bessere Wohnverhältnisse für Asylbewerber angemahnt. »Die Unterkünfte sind vollkommen überfüllt, und bis heute wurden keine Konzepte entwickelt, wie Flüchtlinge in Wohnungen umziehen können«, heißt es in dem am Mittwoch in Potsdam veröffentlichten Schreiben. Die Kommunen würden nicht angemessen auf die Aufnahme vorbereitet, es würden damit mehr Spannungen und Ressentiments gegen Flüchtlinge in Kauf genommen. (dpa/nd)
Die anderen Fraktionen machen aber alle mit: SPD und LINKE, Grüne und FDP. Damit ist die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung gesichert. 59 der 88 Landtagsabgeordneten müssen mindestens zustimmen. Die rot-rote Koalition verfügt allein schon über 55 Mandate. Die FDP hat sieben Sitze, die Grünen haben sechs.
Die geplante Streichung des Begriffs Rasse basiert auf der Erkenntnis, dass es verschiedene Menschenrassen überhaupt nicht gibt. Ob Krauskopf oder glattes Haar, dunkle oder helle Haut, runde oder schmale Augen - nach heutiger Ansicht der Biologie sind die Unterschiede der Menschen viel zu geringfügig, um sie - so wie bei vielen Tierarten üblich - in unterschiedliche Rassen einzuteilen.
Die gültige Verfassung Thüringens von 1992 trägt dem Rechnung, indem sie auf den Begriff Rasse verzichtet. Brandenburg folgt dem nun als zweites Bundesland. Sozialist Scharfenberg erhofft sich davon einen Impuls, auch das Grundgesetz zu ändern.
Den Väter und wenigen Müttern des Grundgesetzes war es 1949 darum gegangen, dass niemand wegen seiner Rasse benachteiligt wird. Sie verwendeten eine entsprechende Formulierung nach der bitteren Erfahrung, dass die Nazis Juden, Schwarzafrikaner und Slawen als Untermenschen klassifiziert, verfolgt und ermordet hatten. Die gute Absicht bei der Verwendung des Begriffs Rasse im Grundgesetz und in den Verfassungen der Bundesländer steht außer Frage. Doch wenn das Wort dort stehe, dann erwecke dies den falschen Eindruck, dass es unterschiedliche Rassen tatsächlich gebe, sagte Scharfenberg.
Allein den Begriff zu streichen und nichts Neues an seine Stelle zu setzen, das hätte die FDP nicht geschluckt. Denn sie fürchtete, dass eine Lücke entsteht. Mit der nun gefundenen Lösung sind die Liberalen aber einverstanden. Künftig soll in Artikel 12 der Landesverfassung nicht mehr stehen, dass niemand wegen seiner Rasse benachteiligt werden dürfe. Niemand dürfe aus »rassistischen Gründen« benachteiligt werden, heißt es stattdessen.
Mit der Einführung einer Antirassismusklausel in die Verfassung wird Brandenburg ebenfalls das zweite Bundesland sein. Mecklenburg-Vorpommern hat schon eine solche Klausel. Sie war dort eine Reaktion auf den Einzug der neofaschistischen NPD in den Landtag. In der Verfassung Mecklenburg-Vorpommerns steht inzwischen, dass Aktionen, die das friedliche Zusammenleben stören und rassistisches Gedankengut verbreiten, verboten sind.
Ein ähnliches Verbot schwebte der rot-roten Koalition für Brandenburg vor. Doch nach intensiver Diskussion mit den Oppositionsparteien entschieden man sich, anstatt etwas zu verbieten, den Staat zu etwas zu verpflichten. Dem Artikel 2, Absatz 1 soll nun der Satz angefügt werden: »Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.«
Bei einem Verbot hätte die FDP nicht mitgespielt. Mögliche Einschränkungen der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit wollte sie auch dann nicht hinnehmen, wenn es gegen Neonazis geht. Denn das könnte auch andere treffen, argumentierte der FDP-Abgeordnete Hans-Peter Goetz. Das wäre »Selbstmord aus Angst vor dem Tode«, sagte er. In der Antirassismusklausel sieht Goetz lediglich eine »Auslegungshilfe« für bereits bestehende Rechtsnormen. Es werde damit kein neues Recht geschaffen, »da muss ich widersprechen«. Dagegen glaubt Ursula Nonnemacher (Grüne): »Es wird auf die Rechtsprechung Einfluss haben.« LINKE-Politiker Scharfenberg betonte, »dass es sich hier keineswegs um Symbolpolitik handelt«.
Der praktische Nutzen einer Antirassismusklausel ist jedoch umstritten. Ob die Klausel wirklich jenen Antifaschisten hilft, die mutig die Strecke eines Naziaufmarschs blockieren und sich deswegen der Strafverfolgung ausgesetzt sehen, dies muss sich erst noch zeigen. Experten sind sich bloß einig, dass die Klausel in solchen Fällen zumindest nicht schaden könne. Scharfenberg spricht von einem »Signal an die Bevölkerung«, von einem Aufruf zum Engagement gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.
Brandenburgs LINKE hatte bereits 2008 im Landtag beantragt, eine Antifaschismusklausel in die Verfassung aufzunehmen. Damals saß die Partei noch auf der Oppositionsbank und konnte sich mit dem Vorschlag nicht durchsetzen.
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