»Das Boot ist voll«
Mit dem sogenannten Asylkompromiss begann die Abschottung Europas
Berlin (nd). Während Anfang der neunziger Jahre Flüchtlingsunterkünfte brannten und Ausländer zu Tode gehetzt wurden, bereitete die Politik mit populistischen Parolen den Boden für den »Asylkompromiss«. Am 26. Mai 1993 beschloss der Bundestag die Grundgesetzänderung, die das Grundrecht auf Asyl in Deutschland faktisch zunichte machte.
Neonazis und Rassisten fühlten sich durch die Grundgesetzänderung noch ermutigt. Nur drei Tage später brannte ein von türkischstämmigen Familien bewohntes Haus in Solingen. Hülya und Hatice Genç und Gülüstan Öztürk starben qualvoll in den Flammen, Gürsün Ince und Saime Genç sprangen in ihrer Verzweiflung in den Tod. Während die Brandstifter längst wieder auf freiem Fuß sind, ist es für Flüchtlinge seither ein oft hoffnungsloses Unterfangen, hierzulande Asyl zu beantragen.
Der »Asylkompromiss« war ein zentraler Schritt zur Abschottung Europas, das seine Asylpolitik in den Folgejahren nach deutschem Vorbild vereinheitlichte. Allein bei dem Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen, sind Schätzungen zufolge seither mehr als 10 000 Menschen ertrunken.
Im Jahresbericht 2013 kritisiert Amnesty International die Abschottungspolitik der Europäischen Union scharf. So habe die EU bisher nur 40 000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen, sagte die Generalsekretärin in Deutschland, Selmin Caliskan. Bei vier Millionen Binnenflüchtlingen und 1,4 Millionen ins Ausland geflohenen Syrern sei das eine verschwindend geringe Zahl. In der Kritik steht auch die Abschiebung von Asylbewerbern nach Ungarn und Kosovo, obwohl deren Sicherheit dort nicht gewährleistet sei. »Viele Staaten konzentrieren sich auf den Schutz ihrer Grenzen und nicht auf den Schutz dieser Flüchtlinge«, so Caliskan.
Für Samstag ruft die Kampagne »Fight Racism now« zu einer Demonstration in Berlin auf.
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