BLOGwoche: Gründlich zuhören, richtig lesen

  • Lesedauer: 2 Min.

Im sogenannten NSU-Prozess gegen ein rechtes Terrornetzwerk kehrt langsam Routine ein. Zeit für die Medien, ihre bisherige Arbeit zu reflektieren. Auf das Versagen der Medien bei der Berichterstattung über die Mordserie, die viele Jahre lang mutmaßten, die Opfer hätten Kontakte zur organisierten Kriminalität gehabt, wies dieser Tage der Chefredakteur der europäischen Ausgabe der türkischen Tageszeitung »Sabah«, Mikdat Karaalioglu, in einem Interview mit dem Internetportal www.echo-online.de hin. Versagt habe auch seine eigene Zeitung, so Karaalioglu in dem Gespräch mit dem Onlinedienst der Verlagsgruppe Medienhaus Südhessen. »Bevor der NSU aufgeflogen ist, haben auch wir so berichtet, als sei klar gewesen, dass die Mordserie keinen politischen Hintergrund hat. Wir haben denselben Fehler gemacht wie die deutschen Medien: Wir haben die Opfer verdächtigt. Wir haben zu sehr den offiziellen Mitteilungen - zum Beispiel denen der Polizei - vertraut. Es hieß offiziell immer: Diese Taten haben nichts mit Rechtsextremismus zu tun und wir hatten keine Indizien für das Gegenteil. Unser Fehler war, dass wir nicht genügend Kontakt mit Angehörigen der Mordopfer hatten. Sicher, wir haben mit ihnen gesprochen. Aber wir haben nicht genügend Zeit mit ihnen verbracht, wir sind dem, was sie zu sagen hatten, nicht ausreichend nachgegangen. Wir waren nicht bei ihnen. Das war ein Fehler.«

Richtig hinhören respektive gründlich lesen sollte man auch, wenn es um die Berichterstattung über die derzeitige Wirtschaftskrise im Euroland geht. Der Blogger Roberto De Lapuente stört sich in seinem Weblog ad-sinistram.blogspot.de an der seiner Meinung nach fälschlichen Verwendung eines Artikels statt eines Pronomens in den meisten Medien. »In allerlei Nachrichtenformaten heißt es immer öfter, Spanier oder Griechen gingen gegen ihre Regierung auf die Straße. Nicht gegen die Regierung, nein, gegen ihre Regierung. Dabei ist genau diese Einschätzung falsch. Sie gehen auf die Straße, weil es nicht ihre Regierung ist. Sie ist die Regierung der Sachzwänge, der Troika, der Europäischen Union, Merkels und des neoliberalen Gesellschafts- und Kontinentalentwurfes. Dieses »gegen ihre Regierung« schiebt Verantwortlichkeiten ab. Nicht das Spardiktat aus der Schule neoliberaler Ökonomie treibt folglich die Menschen in diesen Ländern auf die Straße. Es ist die Regierung dieser Menschen, die dafür verantwortlich ist. Das ist sie aber nur als letztes Glied einer Kette. Wie die Regierungen dieser Länder zu verfahren haben, entscheiden nicht Ministerien oder Parlamente, sondern die Sparkommissare und Geldgeber, die Banken und übernationalen Organisationen.«

Zusammengestellt von: Jürgen Amendt

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