»Der Lehrling war's«
Klaus Wowereit weist Verantwortung für Scheitern der BER-Eröffnung zurück
»Alle sagen, sie hätten alles richtig gemacht, aber wundern sich, dass der Flughafen doch nicht eröffnet werden konnte.« Der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto brachte im BER-Untersuchungsausschuss die Quintessenz der Auskünfte des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) auf den Punkt. Der musste gestern vor dem Gremium erklären, wie er seine Verantwortung im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, dessen Vorsitzender er von 2001 bis Anfang dieses Jahres war, nachgekommen ist.
Natürlich »umfassend«, wie er auch gestern wieder beteuerte. Die dramatischen Probleme seien aus den Berichten der Geschäftsführung nicht hervorgegangen. Die erste Verschiebung des Eröffnungstermins im Oktober 2011 hatte laut Wowereit zwei Gründe: Den Konkurs einer Planungsgesellschaft und die neuen Sicherheitsvorschriften für den Check-In-Bereich. Danach habe man das Controlling verstärkt.
Dass es dann auch mit dem nächsten Termin Anfang Juni 2012 nicht klappt, habe er von der Geschäftsführung erst am Wochenende vor dem 8. Mai erfahren. »Dass es eng wird, war klar, aber wir hatten vorher keine Hinweise, dass der Termin nicht zu halten ist.« Noch in seiner Sitzung am 20. April genehmigte der Aufsichtsrat 14,6 Millionen Euro für Beschleunigungsmaßnahmen, darunter die »Mensch-Maschine-Lösung«, bei der 600 Angestellte im Brandfall die Fluchttüren öffnen sollten. »Das hätten wir nicht gemacht, wenn wir nicht geglaubt hätten, dass die Eröffnung klappt.«
Ausschussvorsitzender Martin Delius (Piraten) konfrontierte Wowereit mit den Aussagen eines Controllers, der in der Planung des Flughafens wegen der vielen Änderungen »systemische Mängel« festgestellt hatte. Der Mann sei in der Sitzung vom 20. April dabei gewesen und habe nichts über gravierende Folgen mitgeteilt, parierte Wowereit. Wirklich in Verlegenheit kam er in der Vernehmung jedenfalls nicht. Auf die Frage von Ole Kreins (SPD), ob man das Debakel nicht früher hätte erkennen können, antwortete er, hinterher sei man immer klüger. Der Aufsichtsrat könne ja nicht selber bauen. »Wenn die Geschäftsführung sagt, das klappt, dann ist die Macht des Aufsichtsrats auch beendet.«
Entsprechend unterschiedlich waren die Einschätzungen nach der Sitzung. SPD und CDU wiesen eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch Wowereit zurück. Er habe seine Verantwortung »durch intensives und punktgenaues Nachfragen in den Aufsichtsratssitzungen« wahrgenommen. Die Geschäftsführung habe jedoch dem Aufsichtsrat »die Risiken der Brandschutzanlage nicht rechtzeitig und vollumfänglich dargelegt«. Die LINKE-Abgeordnete Jutta Matuschek sieht die Ursachen des BER-Scheitern im kollektiven Versagen der maßgeblichen Akteure. »Die Flughafengesellschaft war ihren Aufgaben als Bauherr nicht gewachsen. der Aufsichtsrat hat dies nicht erkannt.«
Für Andreas Otto hat Wowereit belegt, »wie wenig Kompetenz und wie viel Selbstüberschätzung im Aufsichtsrat vertreten war und noch immer ist«. Wenn man die Kette der Nichtverantwortlichkeiten fortsetze, bleibe am Ende nur »der Lehrling einer Elektrofirma übrig, weil der sich nicht so gut herausreden kann wie Wowereit«.
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