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Das große Verschweigen

Bundesregierung fehlen Daten zu Alkoholmissbrauch und Therapieangeboten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Todesdroge Alkohol: Alljährlich sterben 74 000 Bundesbürger an den Folgen ihrer Sucht. Nun zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion, dass man in Berlin nicht einmal weiß, wie viele Abhängige derzeit Hilfe erhalten. Zudem muss Schwarz-Gelb eingestehen, dass es zu wenig Therapieangebote für ältere Alkoholiker gibt.

Die Zahlen sind erschreckend: Beinahe zehn Millionen Bundesbürger trinken mehr als ihnen guttut. Darunter jeder dritte Mann. 1,3 Millionen gelten als abhängig. Entsprechende Statistiken stammen allerdings nicht aus dem Bundesgesundheitsministerium, sondern von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Daten zur Volksdroge Nummer 1, wie sie in ihrer dem »nd« vorliegenden Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion eingestehen muss. So weiß man nicht einmal, wie viele Abhängige tatsächlich Hilfe in Anspruch nehmen. Nach Schätzungen, die auf Zahlen aus der Deutschen Suchthilfestatistik beruhen, sind von den 1,3 Millionen Alkoholikern nicht einmal zehn Prozent in Behandlung. Die Bundesregierung hält das für eine »deutliche Unterschätzung« und geht davon aus, dass »mehr Personen mit Alkoholabhängigkeit« Hilfe erhalten. Allerdings verfügt sie über keine Daten, die das belegen könnten. Dieses Unwissen hat systemische Ursachen. So wollte die Linksfraktion wissen, warum die Untersuchung auf Alkoholabhängigkeit noch nicht in die obligatorischen Gesundheitschecks für über 35-Jährige integriert ist. Die Antwort überrascht: Demnach habe man die Sorge, »die explizite gesetzliche Aufnahme (...) könnte von der Bevölkerung als Kontrolluntersuchung missverstanden werden« und »die Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchung senken«.

In ihrer Antwort an die LINKE verwickelt sich die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach (FDP) in weitere Widersprüche. So leugnet sie die von der Linksfraktion kritisierte »therapeutische Unterversorgung Alkoholabhängiger«. Von einer »generellen« Unterversorgung könne keine Rede sein, so Flach, weil dazu »nicht ausreichend belastbare Daten« vorlägen. Folgt man dieser Logik, ist aber ebenso wenig nachweisbar, dass es genügend Therapieplätze gibt.

Zumal Flach wenig später einräumen muss, dass es offenbar doch eine Unterversorgung gibt. »Es gibt Hinweise«, so die Staatssekretärin, »dass ältere Menschen mit Suchterkrankung bisher tendenziell unterversorgt sind, da die Erkrankung seltener erkannt wird«. Konkrete Schritte dagegen hat das Bundesgesundheitsministerium bislang nicht unternommen. Flach verweist lediglich auf neue Leitlinien zu alkoholbezogenen Störungen, die irgendwann im Jahr 2014 vorliegen sollen.

Bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) kennt man das Problem: »Die Abhängigen über 60 hatte bis 2006 niemand so richtig auf dem Schirm«, so eine Sprecherin der DHS. Zwar gebe es mittlerweile entsprechende Angebote, so die Sprecherin weiter, doch fehle es an einer »aktiven Bewerbung dieser Maßnahmen«.

Für Frank Tempel, den drogenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, ist die Antwort der Bundesregierung ein Beleg für die Widersprüchlichkeit der Politik in Sachen Alkohol. »Einerseits gibt die Bundesregierung zu, dass es vor allem im Bereich der älteren Menschen eine Unterversorgung gibt, aber gleichzeitig spricht sie sich gegen die Untersuchung auf Alkoholabhängigkeit in der Gesundheitsuntersuchung für über 35-Jährige aus.« Das sei rational nicht zu erklären, so Tempel.

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