Polizei blockiert Blockupy

Demonstration wurde bereits nach 850 Metern gestoppt

  • Sonja Erkens und Johanna Treblin, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Sonnabend demonstrierten in Frankfurt am Main rund 15 000 Menschen gegen die Krisenpolitik der Troika. Weit kamen sie allerdings nicht: Die Polizei kesselte die Demo-Spitze ein und versperrte damit auch den übrigen Teilnehmern den Weg.

Die Polizisten warteten vergeblich verschanzt hinter NATO-Stacheldraht auf einem schmalen Grünstreifen. Die erwarteten 20 000 Demonstranten kamen nicht zur Europäischen Zentralbank (EZB) am Willy-Brandt-Platz im Stadtzentrum von Frankfurt am Main. Gut gepanzerte Polizisten hatten die Spitze des Demonstrationszuges schon eine halbe Stunde nach dem Start am Baseler Platz eingekesselt. Damit war auch den übrigen Teilnehmern der Weg vorbei an der Rückseite des Schauspielhauses versperrt. Da waren die ersten gerade einmal 850 Meter weit gelaufen, die meisten anderen konnten den Baseler Platz gar nicht erst verlassen.

Das Blockupy-Bündnis hatte am Wochenende in die deutsche Finanzmetropole geladen, um gegen die Krisenpolitik der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Kommission und EZB zu demonstrieren. Viele Demonstranten waren bereits am Donnerstag angereist und hatten das Camp am Rebstockgelände bezogen. Am Freitag starteten die Protestaktionen mit der Umzingelung der Europäischen Zentralbank im Zentrum der Stadt, an der sich rund 2500 Menschen beteiligten.

Die Demonstration am Samstag sollte den Abschluss der Protesttage bilden. In vier Stunden wollten die Teilnehmer, darunter viele LINKE-Politiker, Gewerkschaftsmitglieder von ver.di, DGB und Freier Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union, sowie Gegner des Flughafenausbaus in Frankfurt durch das Finanzviertel ziehen. Die Abschlusskundgebung war für 16 Uhr vor der EZB am Willy-Brandt-Platz geplant. Stattdessen standen die rund 15000 Demonstranten bis in den Abend hinein am Untermainkai und forderten von der Polizei, den Kessel mit rund 1000 Menschen aufzulösen und die geplante Route freizugeben. Als um 21 Uhr immer noch kein Ende in Sicht war, wurde die Bühne für Abschlusskundgebungen und Bands am Willy-Brandt-Platz schließlich abgebaut.

Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, nahm als Parlamentarische Beobachterin an der Demonstration teil. Ein bisschen ziviler Ungehorsam sei angebracht und notwendig, hatte Kipping bei ihrer Rede zum Demonstrationsauftakt noch an die Zuhörer appelliert. Bei den Protesten im vergangenen Jahr sei von Seiten der Polizei immer wieder versucht worden, die Demonstranten zu provozieren: »Lasst Euch nicht kriminalisieren!«, sagte Kipping.

Doch genau das geschah schließlich. Einige Demonstranten wurden zehn Stunden im Kessel festgehalten. Die Polizei begründete ihr Vorgehen mit »massiven Verstößen gegen die Demonstrationsordnung« durch Pyrotechnik, außerdem seien die Demonstranten vermummt und passiv bewaffnet gewesen: mit Schals, Regenschirmen und Sonnenbrillen als Reaktion auf das Aprilwetter vom Vortag sowie mit Transparenten und Schildern.

Während die Veranstalter der Demonstration mit der Einsatzleitung der Polizei verhandelten, versuchte auch der Gewerkschaftsblock, deeskalierend auf die Beamten einzuwirken. »Lasst uns durch«, rief ein Mann mit einer roten IG-Metall-Fahne und bahnte sich einen Weg durch die Menge nach vorne. Ihm folgten weitere Menschen mit Gewerkschaftsfahnen. Vor den Polizisten, die die Spitze des Protestzuges von den übrigen Demonstranten abschnitten, blieben sie stehen. »Dies ist eine bunte Demonstration«, rief eine Frau, »hier sind Junge und Alte, Gewerkschafter und Flughafengegner!« Die Polizisten, eingepackt in Helme, Schutzwesten und Knieschoner, reagierten nicht. Die Gesichtsmasken lüfteten sie lediglich, um einen Schluck Wasser aus Flaschen zu trinken, die Kollegen zu ihnen durchreichten.

Aus den Lautsprecherwagen ertönte Musik, Redner aus anderen europäischen Ländern erzählten von ihren Erfahrungen mit der Krisenpolitik, zwischendurch gab es Durchsagen zum Stand der Verhandlungen. Am Kopf des Zuges wurde es immer mal laut. Polizisten zielten ohne erkennbaren Grund mit Pfefferspray auf Demonstranten außerhalb des Kessels, auch Schlagstöcke sollen ihr Ziel getroffen haben. Mehrere Dutzend Menschen mit geröteten Augen wurden von Sanitätern behandelt.

Die Polizei bot an, den Zug über eine Alternativroute am Main entlang umzuleiten, der Kessel sollte allerdings bestehen bleiben, die Demonstranten darin einzeln abgeführt und ihre Personalien festgestellt werden. Das lehnten die übrigen Demo-Teilnehmer zunächst ab. Später soll es zu einer Einigung gekommen sein, doch das Innenministerium in Wiesbaden pfiff die Einsatzleitung wieder zurück.

Am Abend äußerte Katja Kipping den Verdacht, die Polizeiaktion sei »von langer Hand geplant« gewesen und kündigte ein politisches Nachspiel an: »Wir wollen Aufklärung darüber, wer wann was angeordnet hat und wer vorab Kenntnis von diesem geplanten Angriff hatte. Der hessische Innenminister ist hier in der Bringepflicht, aber auch der Bundesinnenminister als Dienstherr der Bundespolizei.«

Am frühen Abend begann die Polizei, die Demonstranten aus dem Kessel einzeln herauszuholen. Außenstehende quittierten jedes Abführen mit lautem Johlen. Dem Ermittlungsausschuss Frankfurt zufolge, an den sich Menschen wenden können, die während einer Demonstration in polizeilichen Gewahrsam genommen wurden, waren rund 1000 Menschen in dem Kessel, teils mit Verletzungen, mehrere sollen bewusstlos gewesen sein. Personalien wurden aufgenommen und Platzverweise erteilt. Unklar war bis Redaktionsschluss, ob Demonstranten auch über Nacht festgehalten wurden.

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