Rechnung ohne den Wirt gemacht
Potsdams Hoteliers wollen gegen die geplante Bettensteuer klagen
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat die Potsdamer Rathauskoalition die vorgesehene Tourismusabgabe gekippt und Kurs auf eine Bettensteuer genommen. Doch hat sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht: »Wir zahlen nicht, sondern klagen«, hieß es gestern von den Hoteliers.
Wenn die Schlösserstiftung glaube, dass sie auf diese Weise schnell an Millionen Euro herankommt, dann irre sie, stellte die Hotelbranche gestern klar. Selbst wenn die Stadtverordneten eine Steuer von fünf Prozent auf jedes Bett beschließen sollten, um die Einnahmen der Schlösserstiftung abzutreten, »wird sie in nächster Zukunft über das Geld nicht verfügen können,« sagte Gondra Wettley, Direktorin des Steigenberger Hotels. Man würde dagegen »alle Mittel nutzen, die der Rechtsstaat bietet«.
● Im vergangenen Jahr kamen 18,5 Millionen Tagesbesucher nach Potsdam. Sie gaben hier 883 Millionen Euro aus.
● In den Potsdamer Hotels buchten 440 000 Gäste insgesamt eine Million Übernachtungen.
● Falls die Stadt Potsdam nicht jährlich eine Millionen Euro an die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten entrichtet, werden ab Ostern 2014 für zunächst fünf Jahre an den Eingängen von Park Sanssouci zwei Euro Eintritt verlangt (Jahreskarte zwölf Euro). In den fünf Jahren soll herausgefunden werden, ob die eingespielten Mittel ausreichen, die dringendsten Probleme bei der Pflege des Schlossparks zu beheben.
● Die Stadt Potsdam wollte ursprünglich zwei Millionen Euro Tourismusabgabe pro Jahr bei Gastronomie und Einzelhandel eintreiben und die Hälfte der Summe an die Schlösserstiftung abführen.
● 2012 zog die Ausstellung »Friederisiko« 348 796 Besucher ins Neue Palais im Park Sanssouci. nd
Die Betreiber von Hotels und Ferienwohnungen sind nicht damit einverstanden, die Letzten zu sein, die von den Hunden gebissen werden. Ursprünglich hatte die Stadtverwaltung die Absicht, mittels einer Tourismusabgabe alle Unternehmen für die Pflege des Schlossparks Sanssouci zahlen zu lassen, die von Besuchern in der Innenstadt profitieren - also auch Gastronomen und Einzelhändler. Damit reagierte die Stadt auf die Drohung der Stiftung, ab Ostern 2014 Eintritt für den Park zu verlangen, wenn nicht eine Millionen Euro jährlich fließen. Die Arbeit an der ebenfalls nicht unumstrittenen Tourismusabgabe war schon weit gediehen, da schwenkten SPD, CDU, FDP und Grüne vor einigen Tagen zugunsten der Bettensteuer um.
Ein Parkeintritt wäre ohnehin die beste Lösung, sagte Olaf Lücke, Chef des brandenburgischen Hotel- und Gaststättenverbandes. Denn dann würde der »Verursacher« zahlen, also der Benutzer der Parks. Die wenigsten der jährlich eine Million Besucher Potsdams übernachten in der Stadt. Man könne derzeit jedoch für unglaublich wenig Geld Tagesfahrten nach Potsdam unternehmen, dort die Straßen verstopfen, umsonst in den Parks spazieren und abends wieder nach Hause fahren, erzählte Lücke.
Bei dem Manöver »weg von der Tourismusabgabe hin zur Bettensteuer« schimmere durch, dass hier mit Blick auf Wahlen der Kreis derer verringert werden soll, die zur Kasse gebeten werden. Doch werde damit der bislang bestehende Konsens zwischen Gastgewerbe und Stadtpolitik aufgekündigt, beschwerte sich Lücke. Knapp die Hälfte der Hotelgäste in Potsdam besuchen Konferenzen und nicht die Schlossparks.
Gastronom Mario Kade sprach von »Unfrieden«, der sich abzeichne, und von einem »Keil«, der offensichtlich zwischen die Unternehmer »getrieben werden soll«. Sowohl Gäste wie auch die Potsdamer hätten Verständnis für einen Beitrag zur Pflege der Parks.
Deutlich gemacht wurde bei der Gelegenheit, dass die Bettensteuer in Deutschland nirgends höchstrichterlich bestätigt worden ist. Auch in Köln und Berlin werde gegen solche Absichten geklagt. Die Hoteliers bestreiten auch, dass die Abgabe an die Stiftung rechtmäßig ist. Sie bieten im Gegenzug eine freiwillige Abgabe an, die jedoch nicht an die Stiftung gezahlt werden soll, sondern in Potsdamer Infrastrukturprojekte fließen sollte. Dabei fordern sie ein Mitspracherecht darüber, wie die Mittel eingesetzt werden. Das aber ist bei der Bettensteuer nicht vorgesehen.
Der Chef der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH, Dieter Hütte, sprach sich ebenfalls für einen Parkeintritt aus. Sonderregelungen für Studenten, die durch den Park zur Universität radeln, Ermäßigungen für bedürftige Einwohner der Stadt und eine zeitliche Begrenzung des Eintrittsgeldes auf die schöne Jahreszeit seien denkbar. Morgen muss im Stadtparlament über das Vorgehen entschieden werden. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der von seiner eigenen Fraktion mit der Bettensteuer überfahren wurde, hielt die Tourismusabgabe für »die gerechtere, wenn auch kompliziertere Lösung«. Die LINKE ist schon immer gegen einen Parkeintritt gewesen. Jetzt warnt Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, dass durch die jähe Wendung zur Bettensteuer die von der Stiftung verlangte Summe nicht rechtzeitig zugesichert werden kann. Damit drohe der Parkeintritt, sagte er.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!