Haushaltsloch wird tiefer

Durch korrigierte Einwohnerzahl fehlen Berlin zusätzlich 500 Millionen Euro pro Jahr

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Wo wird der Rotstift angesetzt? Das ist gerade wohl eine der spannendsten Fragen im mit 63 Milliarden Euro verschuldeten Berlin. Denn das gekürzt werden muss, und zwar drastisch, ist klar: Da laut den am Freitag bekanntgegebenen Ergebnissen der letzten Volkszählung weit weniger Menschen in Berlin leben, als bisher angenommen, bekommt Berlin auch weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich. Rund 500 Millionen Euro pro Jahr werden deshalb fehlen, und das zusätzlich zur ohnehin schon sehr angespannten Haushaltslage. Zwar erwartet das Land auch Mehreinnahmen durch ein gestiegenes Steueraufkommen, diese dürften aber kaum reichen, das Loch zu stopfen - zumal bis 2020 auch die Mittel aus dem Solidarpakt auf null reduziert werden.

Die Senatsverwaltung für Finanzen wollte sich am Montag noch nicht dazu äußern, wie mit dieser Situation umgegangen werden soll. »Wir müssen das zunächst mit dem Senat und den anderen Verwaltungen abstimmen«, so Sprecher Jens Metzger. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, fordert indes, die bisher erlaubte Steigerung der jährlichen Ausgaben von 0,3 Prozent »auf Nulllinie« zu senken. Aus den Regierungsfraktionen heißt es, man werde den Sparkurs des Senats mittragen: »Für Berlin bedeuten die Zensus-Ergebnisse eine massive Zäsur. Das heißt: Wir werden als Haushaltsgesetzgeber eine harte Ausgabenlinie des Senats unterstützen«.

Wie »nd« am Wochenende berichtete, leben in Berlin laut aktuellem Zensus rund 180 000 weniger Menschen als bisher angenommen. Zum Stichtag am 9. Mai 2011 hatte Berlin 3,29 Millionen Einwohner, das sind ganze 5,2 Prozent weniger, als die Bevölkerungsfortschreibung ausgewiesen hatte. In keinem anderen Bundesland ist die Abweichung so groß. Ulrike Rockmann, Leiterin des Statistikamts Berlin-Brandenburg, erklärte die Abweichung damit, dass viele Menschen aus der »mobilen Generation« es mit dem Abmelden nicht so genau nähmen, das gelte besonders für aus Berlin wegziehende Ausländer.

Finanzsenator Nussbaum sprach angesichts der Veröffentlichung von »dramatischen Zahlen«, CDU-Fraktionschef Florian Graf von einer »Hiobsbotschaft«. Dass Berlin weniger Geld bekommt, liegt daran, dass der Länderfinanzausgleich auf Basis der Finanzkraft je Einwohner berechnet wird. Weniger Einwohner bedeutet also weniger Geld, und das bereits rückwirkend ab 2011.

Angesichts dieser Zahlen ist es sehr fraglich, ob der Senat wie geplant Mitte Juni den Entwurf für den Doppelhaushalt 2014/15 vorlegen wird. Konkrete Aussagen gab es auch hier noch nicht. »Das Wort ›Nachtragsetat‹ steht im Raum«, sagt allerdings der Sprecher der CDU-Fraktion, Michael Thiedemann.

Es sei zwar sehr unwahrscheinlich, dass bei Projekten aus dem Bereich Bildung gekürzt werde, so Thiedemann. Dennoch: »Jedes Projekt muss neu geprüft werden, alles kommt auf den Tisch«. Fraktionschef Florian Graf sieht insbesondere für den geplanten Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) schwarz: »Wenn Sie mich jetzt nach einer Prioritätenliste fragen, dann ist dieses Projekt sicher in die ferne Zukunft gerückt«, so Graf. Kulturstaatssekretär André Schmitz ist da anderer Meinung: »Ich berufe mich auf Aussagen des Senats, wenn ich sage: Die ZLB ist gesetzt«. Auf dem Prüfstand stehen auch die für 2020 geplante Internationale Bauausstellung (IBA, 56 Millionen Euro) und die Internationale Gartenbauausstellung (IGA 27 Millionen Euro), die 2017 in Marzahn stattfinden soll.

Udo Wolf, Fraktionsvorsitzender der LINKEN, warnt: »Panikartiges Streichen hilft niemandem«. Trotz der nach unten korrigierten Einwohnerzahl sei Berlin weiterhin eine wachsende Stadt mit folglich auch wachsenden Einnahmen. Er sehe den Finanzsenator in der Pflicht, einen »seriösen Kassensturz zu machen und eine neue mittelfristige Finanzplanung vorzulegen«, so Wolf gegenüber »nd«. Während er Investitionen in die Wohnungs-, Bildungs- und Sozialpolitik sowie den Öffentlichen Dienst für unabdingbar hält, sieht Wolf Einsparpotenziale bei Großprojekten wie der geplanten Sanierung des Internationalen Kongresszentrums (ICC), für die der Senat um die 200 Millionen Euro ausgeben will. »Das ist Geldverschwendung, die sich Berlin einfach nicht leisten kann«, so Wolf.

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