Leere Zimmer und volle Züge
In Frankfurt (Oder) müssen Quartiere abgerissen werden, in Potsdam herrscht Wohnungsnot
Die Regionalbahn aus Berlin ist voll. Fahrgäste stehen dicht gedrängt im Gang, so dicht, dass niemand umkippen kann, als der Zug am Potsdamer Hauptbahnhof bremst und hält. So voll ist es früh immer. Vor allem Studenten der Universität Potsdam pendeln zu ihren Vorlesungen. Sie suchten ich auf dem äußerst angespannten Westberliner Wohnungsmarkt einen Unterschlupf, weil sich dort immer noch leichter ein Quartier finden lässt als in Potsdam.
Er habe in Potsdam schon Wohngemeinschaften mit zehn Studenten gesehen, erzählt ein 51-jähriger Einwohner der Stadt, immer zwei und mehr Jungs oder Mädchen in einem Zimmer. Anders sei es für die jungen Leute nicht bezahlbar. Eine 28-Jährige suchte ein halbes Jahr nach einer Bleibe und hatte dann Glück, weil sie die Vormieterin und den Sohn des Vermieters kannte. »Sonst hätte ich vielleicht heute noch keine Wohnung in Potsdam«, meint die Studentin. Sie hörte von einem Kommilitonen, er habe sich 18 WGs angesehen, bis er endlich einen Platz für sich fand.
Mitgliedsfirmen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) planen, im Berliner Umland bis zum Jahr 2020 mindestens 2000 neue Quartiere zu bauen, davon allein 1100 in Potsdam. Benötigt werden in der alten Residenzstadt allerdings schätzungsweise 7500 neue Wohnungen. Die Schwierigkeit bestehe darin, dass erschwingliche Baugrundstücke fehlen, bedauerte BBU-Vorstand Maren Kern am Dienstag. Wenn es bezahlbarer Wohnraum werden soll, müsse es Fördermittel geben, sagte sie. Ansonsten müssten hinterher Mieten von 8,50 Euro pro Quadratmeter und mehr verlangt werden. Kostenloses Bauland könnte die Mieten um 1 bis 1,50 Euro senken, ein zinsgünstiges Darlehn um 2 bis 2,50 Euro.
Von Wohnungsnot wird gesprochen, wenn weniger als drei Prozent der Quartiere zu haben sind, im Berliner Umland sind es jetzt nur noch 2,8 Prozent. Städte wie Ludwigsfelde, Oranienburg, Velten und Strausberg mit einem Leerstand von 5,3 und 4,9 beziehungsweise 4,6 und 4,3 Prozent sind inzwischen die Ausnahme. In Potsdam liegt die Quote bei 2,3 Prozent, in Königs Wusterhausen, Hennigsdorf und Bernau bei etwa einem Prozent, in Erkner, Kleinmachnow und Rangsdorf sogar weniger. Die Gemeinde Panketal verzeichnet 0,0 Prozent.
In den zurückliegenden zwei Jahrzehnten standen im Berliner Speckgürtel nie so wenige Wohnungen leer wie heute. Die BBU-Mitglieder beabsichtigen, im laufenden Jahr 65 Millionen Euro in den Neubau zu stecken, was einer Verdopplung der Summe entspricht. Doch das reicht nicht aus, weil für die Zeit bis 2020 ein Bevölkerungswachstum prognostiziert ist. Potsdam beispielsweise wird demnach ein Einwohnerplus von 12,2 Prozent verbuchen.
Ganz anders stellt sich die Lage außerhalb des Speckgürtels dar. 54 000 Wohnungen sind dort seit dem Jahr 2002 abgerissen worden. Wäre dies nicht geschehen, stünde jede vierte Wohnung leer, in Frankfurt (Oder) sogar jede dritte. Doch wegen der Unsicherheit über die Zukunft des Bundesprogramms Stadtumbau Ost stockt der Abriss. 9364 Quartiere sollen bis 2020 verschwinden, es müssten aber 49 070 sein, damit der Leerstand nicht zunimmt. 500 Millionen Euro wären dafür erforderlich, der Erlass der Altschulden auf die Häuser mitgerechnet. Im äußersten Norden und im tiefen Süden Brandenburgs droht eine Verdoppelung der Leerstandsquote. In Ostprignitz-Ruppin muss demnach einer Erhöhung der Quote von 11,4 auf 23,6 Prozent befürchtet werden (Prignitz von 17,6 auf 34,4 Prozent und Uckermark von 9,1 auf 21,3 Prozent).
Der BBU erhofft sich ein Bekenntnis der Bundesregierung zum Stadtumbau Ost. Vorständlerin Kern sagte: »Wir hoffen, denn erwarten tun wir etwas anderes«. In der aktuellen Diskussion werden Leerstandsprobleme auch in westdeutschen Städten als Argument dafür ins Feld geführt, die Mittel für den Stadtumbau Ost zu streichen. Dabei bewege sich der Leerstand im Westen lediglich bei 5,2 Prozent, erläuterte Wolfgang Schönfelder von der BBU-Geschäftsstelle in Potsdam. Dagegen stehen in Brandenburg die 10,5 Prozent außerhalb des Berliner Umlands.
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