Piraten geraten in schwere Gewässer

Christopher Lauer löst mit Rücktritt von Kandidatur für Vorsitz Fraktionskrise aus

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Debatte um die neue Fraktionsspitze der Piraten weitet sich zur Führungskrise aus. Nach dem Verzicht auf eine erneute Kandidatur des bisherigen Fraktionsvorsitzenden Andreas Baum wollte gestern plötzlich auch der Co-Fraktionsvorsitzende Christopher Lauer nicht mehr für die Wahl zum Fraktionsvorsitz am heutigen Dienstag kandidieren. Der 28-Jährige begründete seinen Schritt damit, sich wieder stärker seiner Arbeit im Innen- und im Kulturausschuss widmen zu wollen.

Wie Fraktionssprecherin Chris Linke bestätigte, gebe es damit nur einen Kandidaten für die Doppelspitze: nämlich den Abgeordneten Oliver Höfinghoff. Sie gehe aber davon aus, dass sich bis Dienstag »noch der eine oder andere bereit erklären wird, für diese wichtigen Ämter zu kandidieren«.

Der Rückzug von der Kandidatur durch Christopher Lauer erfolgt für die Piratenfraktion zur Unzeit. Nicht nur, dass die Personaldiskussion das ohnehin angeschlagene Image der Partei weiter verschlechtern dürfte. Hinzu kommt, dass nach dem Abtritt Baums, der in der Partei über Jahre eine solide Arbeit zunächst als Landesvorsitzender und dann als Fraktionsvorsitzender ablieferte, jetzt auch noch der mit Abstand republikweit bekannteste Pirat sich von der Spitze der Fraktion zurückzieht.

Die derzeit in Umfragen in Berlin bei unter fünf Prozent rangierenden Piraten dürften durch die Querelen weiter in schwere Wasser geraten. Sehr ungelegen kommt der Rückzug von der Kandidatur jedoch auch für den Abgeordneten Oliver Höfinghoff. Der Stadtentwicklungsexperte der Fraktion sieht sich seit Tagen mit Artikeln verschiedener Medien des Springerverlages konfrontiert, die seine Mitgliedschaft in der linksradikalen Gefangenenhilfeorganisation »Rote Hilfe« problematisieren, die vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet wird. Höfinghoff hatte seine Kandidatur erst am vorvergangenen Freitag bekanntgegeben. Der Kernsatz seiner Bewerbung für einen der Führungsposten der 15-köpfigen Fraktion lautete: »Meine Fähigkeiten liegen im Bereich der Feuerwehr. Ich lösche Feuer, wo sie auftreten, schnell, meist unkompliziert.« Inwieweit dies zutrifft, wird Höfinghoff nun zu beweisen haben.

Unklar ist unterdessen, wie sich die permanenten Anfeindungen einzelner Medien, die Piraten würden sich einen »Linksextremen« als Fraktionsvorsitzenden wählen, bei den anderen Abgeordneten der Piraten auswirken. Schließlich treten die Probleme zu einer Zeit auf, in der die Fraktion gerade erst eine Krise gemeistert zu haben schien. Denn erst kurz vor Pfingsten waren die Wellen in der Fraktion nach Personalquerelen und gegenseitigen Beschuldigungen erneut hochgeschlagen.

Seine Entscheidung habe damit aber nichts zu tun, betonte Lauer. Die Arbeit im Abgeordnetenhaus mache ihm nach wie vor Spaß, auch wenn es ein »mühsames Geschäft« sei. »Die Freude und Motivation sind auf jeden Fall noch da.« Richtig abnehmen kann man das dem einst so lockeren Politiker inzwischen nicht mehr.

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