Erdogan setzt auf Konfrontation: »Werden keine Toleranz mehr zeigen«
Sturm von Spezialeinheiten der Polizei auf die Barrikaden auf dem Taksim-Platz / Protestierende werfen Polizei vor, mit Brandsätzen zu provozieren
Berlin (Agenturen/nd). Auf dem Taksim-Platz in Istanbul regiert wieder Gewalt. Zehn Tage nach ihrem Abzug hat die türkische Polizei am Dienstag auf dem Platz massive Härte demonstriert. Derweil heizte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Stimmung weiter an. »Wir werden keine Toleranz mehr zeigen«, sagte er vor Abgeordneten der Regierungspartei AKP in Ankara.
Die Polizei feuerte Tränengas gegen Demonstranten. Auf die Wasserwerfer wurden aus den Reihen der Protestierenden Brandsätze geworfen. Aktivisten in einem Camp am Rande des Taksim-Platzes distanzierten sich nach Medienberichten von der Verwendung von Brandsätzen und erklärten, es handele sich um von der Polizei bestellte Provokateure.
Der Gouverneur der Provinz Istanbul, Hüseyin Avni Mutlu, wies den Vorwurf zurück. Obwohl das gewaltsame Vorgehen der Polizei auf Fernsehbildern klar zu erkennen war, erklärte er zudem über den Kurznachrichtendienst Twitter, mit dem Einsatz sollten nur Plakate und Spruchbänder auf dem Platz entfernt werden. Er rief die Demonstranten zur Ruhe auf. Das Protestlager der Demonstranten im Gezi-Park werde nicht angerührt.
Polizisten hatten am Morgen die Barrikaden gestürmt, die Demonstranten an den Zufahrtsstraßen zu dem Platz errichtet hatten. Bagger rückten vor, um von der Polizei einst zurückgelassenen Absperrzäune und bei Straßenkämpfen demolierte Autos zu beseitigen. Gepanzerte Geländewagen und zahlreiche Rettungswagen standen bereit. Die Polizei war vom Stadtteil Besiktas aus vorgerückt, als nur noch einige Tausend Demonstranten auf dem Platz im Herzen Istanbuls ausharrten.
Noch kurz zuvor hatte Ministerpräsident Tayyip Erdogan erklärt, mit den Protestierenden ins Gespräch treten zu wollen. Der Tourismus-Student Burak Arat schlief nach eigenen Angaben im Gezi-Park, als nebenan der Polizei-Einsatz begann. »Wir werden kämpfen, wir wollen Freiheit», sagte der 24-Jährige der Nachrichtenagentur AFP, bevor er sich zum von Tränengaswolken eingehüllten Taksim-Platz begab.
Schon am Vorabend hatten sich auf dem Platz und im Zentrum der türkischen Hauptstadt Ankara erneut tausende Menschen versammelt, um gegen den als autoritär empfundenen Regierungsstil von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und unverhältnismäßige Polizeigewalt selbst gegen friedliche Demonstranten zu protestieren. In Ankara wurde die Menge dann in der Nacht von den Sicherheitskräften mit Tränengas auseinandergetrieben. Der Großteil der Demonstranten ergriff daraufhin die Flucht, Restaurantbesitzer schlossen sich und ihre Gäste in ihren Lokalen ein.
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