Erdogans »Ende der Toleranz«

Türkischer Premier lässt Taksim-Platz räumen / Für heute Dialog angekündigt

  • Fabian Köhler, Istanbul
  • Lesedauer: 2 Min.
Am zwölften Tag der Massenproteste in der Türkei haben die Sicherheitskräfte gewaltsam den Taksim-Platz in Istanbul gestürmt. Von Regierungsseite gibt es sowohl eine Dialogankündigung als auch neue Drohungen.

Unterstützt von Wasserwerfern und schwerem Räumgerät, sind am Freitag mehrere Hundertschaften der Istanbuler Polizei gegen die Demonstranten im Gezi-Park vorgegangen. Den ganzen Tag über lieferten sich Tausende Demonstranten heftige Straßenschlachten mit der Polizei. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach vom »Ende der Toleranz«.

Seit knapp zwei Wochen halten Hunderte Demonstranten den Gezi-Park nahe des zentralen Taksim-Platzes besetzt. Der Protest, der als Widerstand gegen geplante Baumfällungen begonnen hatte, weitete sich mittlerweile zum landesweiten Aufstand gegen Polizeigewalt und die Einschränkung von Bürgerrechten aus.

»Ihr Anblick verärgert die Bevölkerung (...) und besudelt den Ruf des Landes in der Welt«, sagte Istanbuls Gouverneur Hüseyin Avni Mutlu am Dienstag laut AFP mit Blick auf die seit Tagen im Stadtzentrum ausharrenden Demonstranten. Die Verantwortung für die Zusammenstöße beim Polizeieinsatz hätten allein »gesellschaftliche Außenseiter« zu tragen.

Erdogan erklärte, das Ende der »Toleranz« sei erreicht. »Diese Episode ist nun vorbei«, sagte er vor Abgeordneten der Regierungspartei AKP in Ankara. Die Demonstranten im Gezi-Park forderte er zum Abzug auf. Der Park sei »keine Besatzungszone«. Den Sicherheitskräften dankte der Regierungschef für ihren Einsatz. Zugleich sprach er von einer »illegalen Revolte gegen die Demokratie« mit dem Ziel, der türkischen Wirtschaft zu schaden.

Noch am Montag hatte Erdogan in einer ersten Geste der Beschwichtigung Gesprächsbereitschaft angedeutet. Über seinen Stellvertreter Bülent Arinc ließ er erklären, dass er sich am heutigen Mittwoch mit Vertretern der Demonstranten treffen wolle. Arinc warnte zugleich jedoch, dass »illegale Demonstrationen in der Türkei nicht mehr toleriert werden«.

Die EU will »neuen Schwung« in die stockenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bringen. »Wir arbeiten darauf hin, noch in diesem Monat ein neues Verhandlungskapitel zu eröffnen«, sagte eine Sprecherin der irischen Ratspräsidentschaft am Dienstag gegenüber AFP in Brüssel. Die Auseinandersetzungen in der Türkei und das massive Vorgehen der Polizei gegen Regierungsgegner könnten in der EU aber den Widerstand gegen eine Annäherung wachsen lassen. Manche Staaten seien möglicherweise derzeit »nicht besonders enthusiastisch«, was die Eröffnung eines weiteren Verhandlungskapitels angehe, sagte ein EU-Diplomat.

Die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Sevim Dagdelen forderte im RBB-Inforadio einen Stopp der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Voraussetzung dafür müssten Fortschritte im Bereich Menschenrechte sein.

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