Kaiserwetter und Trauerzug

Bundespräsident legte Grundstein für das Humboldtforum

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Berliner waren gestern Zaungäste. Sie dürfen erst am Sonntag zum »Tag der offenen Baustelle« die neuen Schlossfundamente besichtigen.
Die Berliner waren gestern Zaungäste. Sie dürfen erst am Sonntag zum »Tag der offenen Baustelle« die neuen Schlossfundamente besichtigen.

Das Wetter passte und das Wortspiel lag nahe: »Kaiserwetter«, konnte es sich Hermann Parzinger gestern bei der Grundsteinlegung für das »Berliner Schloss - Humboldtforum«, wie der Bau offiziell heißt, nicht verkneifen. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, künftig größter Nutzer des Forums, durfte die einzige Rede halten, selbst Bundespräsident Joachim Gauck musste sich mit den drei Hammerschlägen begnügen. Was nicht unsympathisch war, trotzdem schien es, als ob man alles schnell hinter sich bringen wollte, sei es wegen der Hitze oder weil man dem Großprojekt doch etwas misstraute.

Eine Gesprächsrunde mit Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU), Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollte darauf einstimmen, was dieses Haus einmal sein soll, nämlich ein Ort des Dialogs. Gestern war es aber noch ein Ort der Statements. Ramsauer freute sich, dass der Schlossbau nun unumkehrbar sei und dass im Vergleich zu Flughafen und Elbphilharmonie »nur ein bischen genörgelt« wird. Die Zweifler an dem Projekt seien ohnehin in der Minderheit.

Wowereit will die Idee des Humboldt-Forums weiter verbreiten um dem Vorwurf zu begegnen, es handele sich um ein rückwärtsgewandtes Gebäude. Für Neumann hat die Kombination aus alten Fassaden und modernem Inneren »eine gewisse Einmaligkeit«. Womit hätte man sonst die Lücke in der Stadtmitte wohl füllen sollen, fragte er sich selbst: »Mit einer Wiese oder einem supermodernen Objekt?« Ein preußisch aussehendes Gebäude den Kulturen der Welt zu öffnen, sei jedenfalls eine richtige Entscheidung gewesen.

Ramsauer sieht das Projekt im Zeitplan, womit er wohl den von der Bundesregierung »aktualisierten« meinte, der jetzt eine Eröffnung des Forums 2019 vorsieht. Vorher war auch schon 2014 und 2017 anvisiert. Den Kostenplan für das 590-Millionen-Euro-Gebäude sieht er derzeit sogar etwas »unterschritten«. Was allerdings auch für den Spendenplan gilt. Von 80 Millionen Euro für die Fassade ist erst ein Bruchteil beisammen. Wowereit nannte es fatal, wenn die Fassade nicht fertig würde und lud schon mal »Großspender« ein. Wenn erst mal was zu sehen ist, werde die Spendenbereitschaft steigen, hofft er.

Davon ist erst mal nichts zu bemerken. Nach einer neuesten Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins »Stern« lehnen fast zwei Drittel der Deutschen den Wiederaufbau des Schlosses ab. Ähnliche Ergebnisse hatte kürzlich eine Umfrage unter Berlinern.

Einige der Zweifler demonstrierten am Rande der Grundsteinlegung gegen das Projekt. Das Bündnis »No Humboldt 21« forderte ein Moratorium für den Bau, weil es »die Würde und Eigentumsrechte« von Menschen in aller Welt verletze. Die ethnologischen Sammlungen seien nach kolonialen Eroberungen nach Berlin gekommen. Eine Gruppe von Architekten, Künstlern und Studenten verlangte, auf den Bau ganz zu verzichten und trug die »Schloss-Freiheit« zu Grabe. Das Areal solle Grünfläche bleiben und die Entscheidung über eine Bebauung der nächsten Generation überlassen werden. Zur Sicherheit sammelt Satirikerin Marion Pfaus bereits Spenden für den Schlossrückbau.

Einige trugen gestern die Schloss-Freiheit zu Grabe.
Einige trugen gestern die Schloss-Freiheit zu Grabe.
Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -