Ein Kollektiv von Deichgrafen
Umweltministerin Tack über Hochwasser, Klimaprognosen und neue Dämme an der Schwarzen Elster
nd: Frau Tack, Sie sind in den vergangenen Tagen ständig an Elbe, Schwarzer Elster und Spree unterwegs gewesen. Haben Sie sich dabei die berühmten Gummistiefel angezogen?
Nein, denn um derlei Symbolik ging es nicht. Es ging um Beratung mit den kommunalen Verantwortlichen und den Hochwasserexpertinnen und -experten, um Koordinierung, um Gespräche mit den vielen Helferinnen und Helfern, und es ging um konkrete Aktionen wie etwa die Flutung der Havelpolder zur Kappung des Elbe-Scheitels und damit um die Entlastung der Deiche in Wittenberge, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Dazu waren umfassende Absprachen mit meinen Ministerkollegen in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zu treffen.
Seit uns Klimaforscher für die Zukunft Brandenburgs häufige Dürreperioden und versteppte Landschaften prophezeit haben, regnet es in den Sommern unablässig und die Flüsse treten regelmäßig über die Ufer. Wie erklären Sie sich diese absurde Situation?
Die Prophezeiungen der Klimaforscher sind keineswegs so einseitig, wie es Ihre Frage vermuten lässt. Es ist in diesen Prognosen generell von einer steigenden Häufigkeit extremer Wetterlagen zwischen Starkniederschlägen und Dürrezeiten die Rede. Und so etwas hatten wir in den vergangenen Wochen: Die geringere Kälte am Nordpol hat zu einem extrem stabilen Dauertief über Mitteleuropa geführt, das immer neue Wolkenmassen ansaugte, die dann abregneten. Im nächsten Jahr können die Wirkungen andere sein. Die Klimaforscher haben uns übrigens schon 2002 aufgegeben, den Begriff »Jahrhunderthochwasser« zu vermeiden, weil damit der Eindruck der Einmaligkeit verstärkt wird, und sie haben Recht behalten.
400 Millionen Euro hat das Land Brandenburg seit der Oderflut 1997 und dem Elbehochwasser 2002 in die Sanierung der Deiche gesteckt. Nun fragen sich manche, ob die Deiche hoch genug sind. Hat Ihr Ministerium die Gefahr unterschätzt, dass noch höhere Flutwellen durchziehen könnten?
Es gibt eine klare Antwort: Kein Deich in Brandenburg an der Elbe ist gebrochen. Die Fachleute haben die Höhe bei der Sanierung richtig berechnet. Die Verstärkungen mit Sandsäcken - Erhöhung und Stabilisierung - wird an kritischen Stellen auch künftig notwendig sein, weil es zusätzlich zur Fluthöhe eben immer auch die Gefahr des Durchweichens gibt. Die ließe sich nur verhindern, wenn man alles mit Beton oder Asphalt befestigt, aber wer will eine solche Flusslandschaft?
Elbe und Oder hatten bei der Deichsanierung Vorrang. Was sagen Sie den Menschen an der Schwarzen Elster, die schon seit Jahren eine Erneuerung der teils 100 Jahre alten Deiche fordern und sich vernachlässigt fühlen?
Ich sage ihnen, dass ich sie sehr gut verstehen kann und trotzdem mit den gegebenen Finanzen auskommen muss. Wenn die Zeiten ruhig sind, fordern uns alle gern zum Sparen und immer wieder Sparen auf. Und trotzdem müssen wir 1500 Kilometer Deiche im Land instand halten! Wir können also nicht alles auf einmal machen! Hochwasserschutz ist eine gewaltige Generationenaufgabe.
Ihr Ministerium arbeitet meines Wissens an Plänen für die Schwarze Elster. Wie weit ist es damit?
Die Schwarze Elster hat für uns Priorität. Für Elsterwerda, Bad Liebenwerda und Herzberg sowie für Ortrand an der Pulsnitz werden die Planungsunterlagen für den Hochwasserschutz im Rahmen der Hochwasserrisikoplanung in Kürze fertig sein. Da geht es auch um die Schaffung von Überflutungsflächen, um dem Fluss wieder mehr Raum zu geben, denn er ist zu 90 Prozent durch Deiche eingeengt. Und es geht um die Sofortbeseitigung der Schäden aus dem aktuellen Hochwasser.
Wann könnte mit den Bauarbeiten an der Schwarzen Elster begonnen werden und wann können sie abgeschlossen sein?
Da kann ich jetzt keinen Tag und Monat nennen. Im Moment brauchen wir viel Kraft - und natürlich auch Geld! -, um die Deiche gegen die aktuelle Flut weiter zu verteidigen und dann die Folgen der Flut zu beseitigen.
Trotzdem: Wagen Sie bitte einen Blick in die Zukunft. Wie viele kleinere Flüsse und wie viele Kilometer Deich müssen noch gegen Hochwasser gewappnet werden?
Wir erarbeiten unter Berücksichtigung der in den vergangenen Jahren und auch jetzt gewonnenen Erkenntnisse Pläne zum Management des Hochwasserrisikos und entscheiden dann darüber, wo und in welcher Länge Deiche gebaut werden müssen oder vielleicht auch zurück gebaut, und wo Retentionsflächen und Polder als Überflutungsflächen geschaffen werden können. Die Pläne sollen Ende 2015 flächendeckend vorliegen.
Und das wird wie viel kosten?
Aktuell geben wir - ohne die aktuellen Flutkosten! - pro Jahr 30 Millionen Euro für den Hochwasserschutz aus. Dabei haben wir Unterstützung vom Bund und aus der EU.
Am Bösen Ort bei Lenzen realisierte Brandenburg ein seltenes Beispiel für die Rückverlegung eines Elbdeiches, um einen gefährlichen Knick des Flusses zu entschärfen. Warum gelingt es anderswo nicht, den Flüssen mehr Raum zu geben?
Wir haben auch anderen Ortes gute Beispiele, um den Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Zum Beispiel hatten wir zum Oderhochwasser 2010 die Polder im Nationalpark Unteres Odertal zur Kappung des Oderscheitels geflutet. Wir haben in Mühlberg an der Elbe eine große Retentionsfläche, die nach der Fertigstellung der Deichbaustelle in Nutzung geht. Und da gibt es eine Vielzahl von Eigentümer- und Nutzerinteressen, die unter einen Hut gebracht werden müssen. Es braucht viel Einsicht aller Beteiligten, um so etwas zu ermöglichen. Das gilt übrigens auch für die von mir schon genannte Polderflutung im Havelland, wo die Bauern ihr Einverständnis geben müssen - und das Land dann übrigens auch mit Ausgleichszahlungen gefordert ist.
Während des Hochwassers sind Ministerpräsident Platzeck (SPD), Innenminister Woidke (SPD) und Sie unterwegs gewesen. Zudem äußerte sich Agrarminister Vogelsänger (SPD). Bei der Oderflut 1997 erwarb sich Matthias Platzeck als damaliger Umweltminister den Titel »Deichgraf«. Wer kann den Titel heute beanspruchen?
Ach wissen Sie, die Dinge sind nie von einem allein zu meistern, und vielleicht sind wir ja einfach mal ein ganz gutes rot-rotes Kollektiv. Die eigentlichen Heldinnen und Helden sind ohnehin die Einsatzkräfte des Katastrophendienstes und die vielen Helferinnen und Helfer vor Ort, auch die Expertinnen und Experten unseres Landesumweltamtes. Ihnen gebührt unser Dank, und ich bin froh, wenn ich ihnen das auch an Ort und Stelle sagen kann.
Fragen: Andreas Fritsche
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