Kein Ende der Krise im Osten

Geldströme fließen zurück in die Mutterkonzerne - aber nicht in Direktinvestitionen

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) sieht kein Ende der Krise im Osten. »Der Wachstumsmotor stottert«, titelte Gábor Hunya seine jüngste Analyse der Investitionsströme.

Statistisch ist die Lage unübersichtlich, realwirtschaftlich geht es bergab. So kann man die Einschätzung des WIIW über fehlendes ökonomisches Wachstum in Osteuropa zusammenfassen. Die meisten Länder der Region, egal ob sie sich innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union befinden, weisen im Jahr 2012 neuerlich einen Rückgang von ausländischen Direktinvestitionen auf.

In Tschechien und Ungarn stiegen sie allerdings statistisch markant an, und zwar um das Vierfache bzw. das Dreifache des Vorjahreswertes. Tschechien prahlt mit einem - vorgeblichen - Kapitalzufluss von 800 Millionen Euro für 2012, Ungarn gar mit einer Milliarde Euro. Den wahren ökonomischen Gegebenheiten entspreche das aber nicht, erklärte WIIW-Vertreter Hunya.

Das Stichwort zum Verständnis dieses statistischen Irrweges lautet »Roundtripping-Kapital«. Gemeint sind damit Kapitalströme großer multinationaler Konzerne. Wegen unterschiedlicher Abgabetermine von Bilanzen in den einzelnen Ländern sowie aus anderen steuerlichen Gründen schieben sie große Mengen an Kapital zwischen ihren Tochterfirmen hin- und her. Jedes Mal, wenn eine dieser Firmen ihr Geld beispielsweise wieder nach Tschechien oder Ungarn transferiert, wird das unter »ausländische Direktinvestition« verbucht. Dabei ist schlicht gar nichts - abgesehen von steuerminimierenden Maßnahmen und der Sicherung guter Einkünfte einiger Buchhalter und Anwälte - mit dem Geld passiert.

Diese Methode hat ein Ausmaß erreicht, das das Lesen nationaler Statistiken erheblich erschwert. Das WIIW vergleicht deshalb die Statistik allgemeiner Kapitalzuflüsse mit jener, in der sogenannte »Greenfield«-Investitionen - also die Neuerrichtung von Produktions- oder Dienstleistungsstätten - ausgewiesen werden. Dort zeigt sich dann deutlich, dass immer weniger Investitionen getätigt werden. Estland und Montenegro sind kaum ins Gewicht fallende Ausnahmen.

Was wirklich zunimmt, sind die Kapitalströme, die aus den Ländern Osteuropas zurück in die Mutterkonzerne fließen. Von den erzielten Einkommen werden zwischen 60 Prozent aus Tschechien und 80 Prozent aus Ungarn und der Slowakei auf diese Weise repatriiert. In Polen sind es über 70, in Bulgarien über 90 Prozent.

Interessant ist auch die Erkenntnis der WIIW-Studie, woher die Investitionen kommen. Dabei nehmen die Niederlande als Herkunftsland von Kapital sowohl in den neuen EU-Mitgliedsländern als auch in Südosteuropa den 1. Platz ein, gefolgt von Deutschland und Österreich. Dieser Umstand erklärt sich wiederum mit einem speziell unternehmerfreundlichen Holding-Gesetz in den Niederlanden, das US- und anderen Unternehmen wie beispielsweise dem Stahlriesen Mittal steuerschonenden Aufenthalt garantiert.

Die einzigen osteuropäischen Staaten, in denen inländische Betriebe ihrerseits Investitionen im Ausland in nennenswertem Umfang tätigen, sind Slowenien und Ungarn. Von Ljubljana aus war in den Jahren seit dem Zerfall Jugoslawiens eine Reihe von Unternehmen auf Expansionskurs Richtung Bosnien und Serbien. Der ungarische Energieriese MOL tätigte große Investitionen in der Slowakei und Kroatien. In allen übrigen osteuropäischen Ländern existieren so gut wie keine inländischen Betriebe, die ihrerseits im Ausland investieren.

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