Schnelle Tsunamiwarnung mit GPS-Technik

Potsdamer Geowissenschaftler ermitteln Erdverschiebungen mit Satellitenhilfe genauer als bisher

  • Anja Laabs
  • Lesedauer: 4 Min.

Erdbeben werden durch Plattenverschiebungen der Erdkruste verursacht. Besonders schwere Erdbeben treten immer wieder dort auf, wo sich eine Kontinentalplatte unter eine andere schiebt. Diese sogenannten Subduktionszonen befinden sich häufig in Küstenbereichen, wo eine ozeanische Platte unter den Rand der kontinentalen Platte geschoben wird (Subduktion) und sich verkeilt. Die dabei wirkenden gewaltigen Kräfte werden zum Teil über Jahrhunderte dort gespeichert. Irgendwann sind die Spannungen dann so groß, dass sich die Platten ruckartig weiter bewegen. Dadurch werden allerdings nicht nur die beteiligten Teile der Erdkruste bewegt, sondern über der ozeanischen Platte auch das Wasser. Im Wasser entsteht dann eine Welle, die sich ausbreitet. Auf diese Weise kann ein Tsunami entstehen.

»Um einen Tsunami vorhersagen zu können«, erläutert Andreas Höchner von der Arbeitsgruppe Erdbebenrisiko und Frühwarnung vom Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam, »müssen wir vor allen Dingen die Verformung des Meeresbodens durch die Plattenverschiebungen kennen.« Denn die sei entscheidend dafür verantwortlich, ob und in welcher Stärke nach einem Erdbeben ein Tsunami zustande komme.

Wegen der bei küstennahen Beben kurzen Laufzeit dieser Flutwelle müssten Frühwarnsysteme in der Lage sein, fünf bis zehn Minuten nach einem Erdbeben eine Tsunamiwarnung herauszugeben. Die Schwierigkeit ist, in dieser Zeit tatsächlich eine verlässliche Prognose zu treffen. Denn üblicherweise werden die Prognosen mithilfe traditioneller Erdbebenmessgeräte, den sogenannten Seismometern, erstellt. Diese Geräte registrieren die Stärke der Erdstöße. Aus Höchners Sicht sind diese Daten allerdings zu ungenau und kommen zu spät.

»Das war auch beim Tohoku-Erdbeben in Japan 2011 das Problem. Aufgrund seismischer Messungen wurde die Stärke des Bebens in der ersten Warnung um das 30-Fache unterschätzt«, sagt der Potsdamer Geophysiker. Auf Grundlage dieser erheblich zu niedrigen Daten wurde dann eine ebenso falsche Tsunamiprognose erstellt. Bei diesem Beben mit anschließender Überflutung einer Fläche von 470 Quadratkilometern kamen mehr als 16 000 Menschen ums Leben. Noch heute gelten Tausende als vermisst. Mehr als 375 000 Gebäude wurden damals zerstört.

Das Problem bei der Frühwarnung mit traditionellen seismischen Methoden ist, dass weder die Erdbebenquelle noch die Verschiebung der Platten an der Subduktionszone ermittelt werden kann. Aus diesem Grund wird seit Jahren nach Messmethoden gesucht, die präzisere und schnellere Warnungen ermöglichen.

Eine Erfolg versprechende Methode basiert auf dem satellitengestützten Navigationssystem GPS mit Empfängerstationen entlang der Küste. Diese Stationen erlauben eine 100 Mal höhere Genauigkeit als die üblichen Empfänger in Handys oder Auto-Navigationssystemen. Um die Wirksamkeit dieses Systems zu überprüfen, berechneten die Forscher am GFZ die Flutwelle des Erdbebens in Japan 2011 auf Grundlage nachgelieferter GPS-Daten. Auf diese Weise wurde untersucht, ob eine Messung unmittelbar während eines Bebens, also in Echtzeit, möglich ist, welche Daten dafür wie verwendet werden müssen und vor allen Dingen, wie sich aufgrund der Erdbebendaten eine Tsunamiprognose erstellen lässt. Ergebnis der Simulation war, dass eine Warnung bereits drei Minuten nach dem Beben möglich gewesen wäre, hätte es zu dieser Zeit schon ein GPS-Frühwarnsystem gegeben. Zu jener Zeit wurde allerdings das GPS-System nicht für die Frühwarnung eingesetzt, obwohl Japan über das weltweit dichteste Netz fest installierter GPS-Stationen verfügt.

Für das Frühwarnsystem müssen Daten der GPS-Stationen aus dem Umfeld des Epizentrums an einen Hochleistungscomputer geschickt werden. Dieser erstellt bereits während und unmittelbar nach den Erdstößen Prognosen für einen Tsunami. Mit dem Verfahren kann nicht nur festgestellt werden, wie die Platten sich während eines Bebens verschieben, wie weit sich die eine hebt und die andere senkt, sondern auch, wie sich diese Bewegungen auf den Meeresspiegel und die Wellenbildung auswirken. Theoretisch werden Seismometer gar nicht mehr gebraucht, ist Tsunamiforscher Höchner überzeugt. GPS-Stationen könnten die gesamten Messungen und Datenübermittlungen übernehmen. Das gelte aber nur theoretisch. Denn abgesehen davon, dass die notwendigen GPS-Daten nicht frei verfügbar sind, ist das satellitengestützte Frühwarnsystem auch noch nicht praxisreif. Das sieht auch Thorkild Aarup so. Der Leiter der Tsunamiabteilung des Globalen Netzwerkes zur Beobachtung und Erfassung des Meeresspiegels (GLOSS) und Programmspezialist der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission bei den Vereinten Nationen beobachtet bei den Tsunamiforschern zwar ein großes Interesse an kontinuierlichen GPS-Messungen in Echtzeit, doch sei dieses Verfahren bislang noch in einem Entwicklungsstadium. Bevor es aus dem Forschungs- in den Betriebsmodus gehe, müsse dieses Frühwarnsystem noch weiterentwickelt werden.

Präzision und Schnelligkeit sind bei der Tsunamiprognose deshalb so wichtig, weil dieser schon 20 bis 30 Minuten nach einem Erdbeben die Küste erreichen kann. Für Andreas Höchner zeigt das massiv unterschätzte Erdbeben in Japan, wie wichtig es ist, GPS-Stationen an den Küsten in der Nähe von Subduktionszonen zu installieren und die generierten Daten allgemein zugänglich zu machen um so bessere Frühwarnsysteme zu ermöglichen.

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