Militante Rhetorik, minimale Forderungen
Jürgen Trittin bürstet seine Partei auf Wahlkampf
Offenbar kann kein grüner Landesparteitag an Rhein und Ruhr ohne einen symbolischen Akt auskommen, der mit einer Mauer zu tun hat. Vor der Landtagswahl 2011 wurden grüne Bausteine zu zusammengefügt. Am Samstag wird eine schwarz-gelbe Mauer abgebaut, auf der in fetten Lettern »Blockade« steht. Und das mit Schmackes, wie man in Hamm am Rande des Ruhrpotts sagt.
Dann hält Spitzenkandidat Jürgen Trittin eine durchaus kämpferische Rede, die mit stehendem Applaus quittiert wurde. Trittin verkauft sich als Hoffnung derjenigen, die nicht zu den reichsten zehn Prozent gehören, wettert gegen Banken, Multis und Lobbies, verspricht eine »solide und solidarische Politik« für Bildung, Klima und Gerechtigkeit. Die rot-grüne Agenda 2010 streift er nur indirekt: Ja, er sei für einen Mindestlohn und für die Erhöhung des Hartz-IV-Satzes!
Trittin inszeniert sich eher als Finanz-, denn als Außenminister in spe, fordert eine Trias aus »Sparen, Subventionsabbau und moderaten Einnahmeverbesserungen« statt einer »Politik auf Pump«. Auffällig ist: Seine oft militante Rhetorik verdeckt oft eher gemäßigte Forderungen.
Rot-Grün habe keine Chance? »Ich bin sicher, wir schaffen das«, schwört Trittin seine Zuhörer auf einen Regierungswechsel ein. Die Schlacht sei noch nicht geschlagen, pflichtet ihm die nordrhein-westfälische Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann bei. Die grüne Landeschefin Monika Düker verspricht 1,2 Millionen grüne Stimmen aus Nordrhein-Westfalen. Sechs Millionen brauche es im Bund. Man werde mehr bekommen, sagt Trittin.
Die Grünen kuscheln, sagen der Welt da draußen den Kampf an. Der Parlamentarische Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion ruft gar zum »Regierungssturz« auf: »Wir blasen zum Sturm auf Merkel!«, tönt der Kölner Volker Beck.
Grüner Umsturz, made in NRW? Lange galt der grüne Landesverband als parteilinks und irgendwie ökosozialistisch. Doch von den letzten 18 Jahren regierten die Ökobürger an Rhein, Ruhr und Lippe 13 Jahre lang mit. Statt Kohle- und Atomprojekte zu stoppen, erfreuten sie sich ihrer Spielwiesen. So kann die grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens homöopathischen Hokuspokus fördern und Kritik daran als »anmaßend« abkanzeln. Schwarz-Grün ist nicht mehr wirklich ein Tabu. Grünen Umsturzplänen steht aber noch etwas anderes im Wege: Für eine Mehrheit links von Schwarz-Gelb würde es wohl nur mithilfe der Linkspartei reichen. Die jedoch wird in Hamm komplett beschwiegen.
Ob Opposition, ob Regierung, eine wird nicht mehr dabei sein: Die Kölnerin Kerstin Müller, mit Anfang dreißig Fraktionschefin, mit knapp vierzig Außen-Staatssekretärin unter dem Schwergewicht Joschka Fischer, wird den Bundestag nach zwei Jahrzehnten verlassen. In Hamms Mehrzweckhalle lässt Müller sich und ihre Lebensleistung feiern.
1999, nach einem halben Jahr Rot-Grün im Bund, kam das, was Müller die »Kosovo-Entscheidung« nennt, als »Albtraum« klassifiziert - und dennoch erneut verteidigt. Müller wird der Partei künftig in Israel dienen. Als dortige Chefin der nach dem Pazifisten Heinrich Böll benannten Parteistiftung.
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