Das Wasser geht, der Unrat bleibt
Wohin mit dem Flut-Müll? In Deggendorf (Bayern) dient eine riesige Halle als Sammelpunkt
Deggendorf. Endlich fließt auch in den Katastrophengebieten in Niederbayern das letzte Hochwasser ab. Mit den sinkenden Wasserständen kommt aber auch eine Unmenge an Müll zutage: zerstörte Wohnungseinrichtungen, Spielzeug, Bodenbeläge und Fliesen. Viele Tausend Tonnen Müll müssen weggeschafft werden, die auf den ehemals überspülten Straßen liegengeblieben sind. Hunderte Lastwagen laden den Hausrat auf die Ladeflächen und bringen sie in die Deponien. Bei der Entsorgung sind die Verantwortlichen auch auf Privatfirmen angewiesen.
Im Deggendorfer Stadtteil Natternberg, nur wenige hundert Meter von den überschwemmten Gebieten entfernt, schiebt sich eine Lastwagenkolonne über die Straße. Ihr Ziel ist der Hof der Firma Kies-Hacker, die die angrenzenden Kieswerke betreibt. Der Landkreis hat die riesige überdachte Lastwagen-Halle angemietet. »Auf etwa 2000 Quadratmeter wird nun der Müll aus Natternberg und Fischerdorf gesammelt«, erklärt Juniorchefin Judith Hacker. Täglich rollen 200 Kipplaster heran und bringen bis zu 1000 Tonnen Müll.
Mehr als zehn Meter hoch türmen sich die vielen Müllberge in der seitlich offenen Halle. Alles was die vielen tausend Helfer aus den überfluteten Häusern raustragen, landet hier - Küchen, Möbel, Mülltonnen, Holzdielen und Fliesen. Grob werden die Sachen getrennt: Elektrogeräte, Metall, Farben und Lacke.
Einen dramatischen Zwischenfall hat es in der Müllhalle gegeben. »Vor einigen Tagen wollten wir gerade Feierabend machen, als wir plötzlich Babygeschrei aus einem der Müllberge hörten«, sagt Judith Hacker. Feuerwehr, Polizei und Notarzt wurden alarmiert. Ein Feuerwehrmann wurde mit Hilfe einer Baggerschaufel auf die Spitze des Berges gebracht - und konnte schnell Entwarnung geben. »Es war zum Glück nur eine Babypuppe, die täuschend echt klang«, erläutert die Juniorchefin.
Während Hacker die aufregende Geschichte erzählt, fährt ein Lastwagen der Bundespolizei aus Deggendorf an den provisorischen Anmeldetisch. Axel Franz von der technischen Einheit steigt aus und lässt den Lieferschein von den Frauen abzeichnen. Ein kurzes Lächeln verrät, dass man sich in den vergangenen Tagen bereits schätzen gelernt hat. »Der Einsatz über diese lange Zeit tut dem Image der Bundespolizei sicherlich gut. Jetzt sehen die Menschen direkt, was wir alles leisten können«, erklärt der 44-Jährige.
Vor zwei Wochen hatte Franz in Passau noch für Trinkwasser gesorgt, als die städtische Versorgung ausgefallen war. Nun schleppt er seit vielen Tagen mit seinen Kollegen die zerstörten Einrichtungen aus den noch immer nassen Kellern auf die Ladefläche. Nicht nur bei den jetzigen hochsommerlichen Temperaturen eine extrem harte Arbeit. »Aber wenn man sieht, wie dankbar die verzweifelten Betroffenen sind, geht es fast leicht von der Hand.«
Wenig später rollt Mario Lattke heran. Er hat mehrere Wohnhäuser in Fischerdorf. Zum Teil stand das Wasser dort 3,10 Meter hoch - bis in die erste Etage hinein. Seit zwei Tagen darf er hinein und räumt fast rund um die Uhr aus. »Schön, dass es diese Müllstation gibt, wir wüssten sonst nicht, wohin damit.«
Auch für den kommunalen Müllentsorger, den Zweckverband Abfallwirtschaft Donau-Wald (ZAW), ist das Mülllager bei Kies-Hacker ein Glücksfall. »Viele Tage lang waren die Straßen und Autobahnen Richtung Passau zu unserem Zwischenlager gesperrt. Dieses Lager hat uns eine Menge Luft verschafft«, erklärt ZAW-Werksleiter Karl Heinz Kellermann. Jetzt werden große Teile des Sperrmülls von Natternberg zum Müllkraftheizwerk nach München gebracht und entsorgt.
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