Menschen auf Zeit

Mancher »nd«-Leser wird diesen Roman als Provokation empfinden. Gerade deshalb sei »Europe Central« des US-Amerikaners William T. Vollmann, deutschstämmig, 1959 geboren, empfohlen. Und da die Rezension eines Romans, der zugleich Kriegsdoku, Nazismus-, Stalinismus- und Künstlerstudie, Porträtsammlung und tausend Seiten lang ist, zu Positionsvertuschung einladen könnte, soll die Empfehlung hier gleich als Kopfnote erscheinen.

Der heutigen US-Literatur wird manchmal Oberflächlichkeit und Provinzialität vorgeworfen. In einem Land, dessen Ausmaß kontinental und dessen Literaturmarketing global ist, lassen sich dafür immer Belege finden. Doch ebenso oft finden sich Beispiele für Weltläufigkeit, Substanz und Relevanz - in der Wahl des Stoffes wie in der der künstlerischen Mittel. Vollmanns Buch, im Original 2005 erschienen, erhielt den National Book Award und wurde von Robin Detje glänzend ins Deutsche gebracht, nachdem andere Überse...