Würfelspiele der Geschichte

Nicht nur in der Natur, auch in der Gesellschaft haben kleine Ursachen oft große Wirkung

Hätte sich der englische König Heinrich VIII. im Jahr 1526 nicht in die Hofdame Anne Boleyn verliebt, schrieb der britische Philosoph Bertrand Russell, gäbe es vielleicht die Vereinigten Staaten von Amerika nicht. Denn um Anne in zweiter Ehe heiraten zu können, brach Heinrich mit dem Papsttum in Rom, das die Neue Welt zwischen den katholischen Ländern Spanien und Portugal aufgeteilt hatte. Wäre England dagegen katholisch geblieben, würde das Land, das man heute die USA nennt, vermutlich noch immer zu Spanisch-Amerika gehören.

So reizvoll derartige Gedankenspiele auch sein mögen, nicht alle Philosophen fanden daran Gefallen. Die Weltgeschichte bewege sich auf einer Ebene, auf der für individuelle Bedürfnisse und Schicksale kein Raum sei, meinte etwa Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der sich daher weigerte, die Welt »dem Zufall preiszugeben«. Und er forderte: »Wir müssen in der Geschichte einen allgemeinen Zweck aufsuchen, den End...


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