Nur reden hilft nicht
Bernd Riexinger zu Gast im Protestcamp der Mieterinitiative Kotti&Co
Aufmerksamkeit zu bekommen ist am Freitagnachmittag am Kottbusser Tor keine leichte Aufgabe. Hier, wo es ohnehin selten ruhig vorgeht, ist gerade besonders viel los: Am Zelt für die Taksim-Solidarität werden Reden gehalten, aus drei verschiedenen Ecken des Platzes werben Straßenmusiker akustisch um Zuhörer und außerdem gibt es auf der Straße ein Hupkonzert, weil sich ein Umzugswagen quergestellt hat. Nur wenige Passanten merken deshalb, dass außerdem noch der Co-Vorsitzende der LINKEN, Bernd Riexinger, zu Gast ist und gerade vom Neuen Kreuzberger Zentrum aus ein Plakat entrollt.
Mit der Aktion, organisiert von der LINKEN Friedrichshain-Kreuzberg, will die Partei für ihre Position in Sachen Sozialpolitik werben. Es bleibt aber nicht nur beim Plakat: Danach geht es rüber auf die andere Seite des Platzes, zum Gecekondu der Mieterinitiative Kotti&Co, die hier bereits seit einem Jahr ihr Protestcamp ausgebaut hat. Riexinger setzt sich zu den Frauen vor der Hütte, die sich zunächst ungerührt weiter auf Türkisch unterhalten, und bekommt erst mal einen Tee. Martin Richter, der seit ein paar Wochen bei Kotti&Co aktiv ist, erzählt aus dem Alltag der Initiative, von Schichtplänen, Beratungen, Lärmdemos und Kaffeekochen. Riexinger zeigt sich sichtlich beeindruckt von der Organisation der Gruppe. »Diese Eroberung des öffentlichen Raums, das finde ich ganz, ganz wichtig«, sagt er. Ozan Yolyapar berichtet von der noch recht jungen Kotti&Co-Jugendgruppe, die er mitgegründet hat. Als ein paar Freunde von ihm vorbeikommen, will Riexinger sie gleich überreden, doch auch mitzumachen: »Ihr braucht doch auch bald eine Wohnung, da ist das Problem für euch doch auch wichtig«. Die beiden Jungs winken allerdings lachend ab und verweisen auf »Hotel Mama«.
Evin Aydan, deren Eltern am Kottbusser Tor wohnen und die sich von Anfang an bei Kotti&Co engagiert hat, erzählt dem Politiker von ihren Problemen: Drei Mieterhöhungen hat die Familie bekommen, nun macht das Amt Probleme, eine bezahlbare Wohnung sei für die achtköpfige Familie aber unmöglich zu finden.
»So schnell wie die Mieten können die Löhne gar nicht steigen«, sagt Riexinger. Deshalb bringe es auch nichts, politisch nur für Lohnsteigerungen zu kämpfen - die Mietentwicklung sei das Problem. Auch bei Neuvermietungen will der LINKEN-Politiker eine Begrenzung.
Dass der Termin überhaupt zustande gekommen ist, ist wohl den Kontakten der LINKEN in Kreuzberg zu verdanken, denn normalerweise sind Parteien jeglicher Couleur bei Kotti&Co nicht gern gesehen. Auch jetzt mahnt eine Frau, dass immer nur Reden ihnen doch auch nicht helfe.
Der nächste gemeinsame Termin steht allerdings bereits fest: Für den 29. Juni ist zum Abschluss der Aktionswoche gegen steigende Mieten eine große Lärmdemonstration geplant, die am Kottbusser Tor beginnen soll. Organisiert wird die Demo vom »Bündnis für eine solidarische Stadt«, dem neben vielen Mieterinitiativen sowie stadt- und migrationspolitischen Gruppen auch Kotti&Co sowie die LINKE Friedrichshain-Kreuzberg angehören.
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