Kubas Dissidenten kehrten heim

Internationale Medien über ein Phänomen mit schwindender Wirkung

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.
20 Dissidenten waren nach Erlass der neuen Reisebestimmungen Kubas zu Reisen durch Europa und die USA aufgebrochen. Fast alle kehrten inzwischen zurück.

Dem Blogger-Star Kubas, Yoanni Sánchez, widmeten von Anfang Februar bis Mitte Mai die sieben führenden internationalen Nachrichtenagenturen 183 Berichte. Im Februar waren es 81, im März 67, im April 30. Im Mai erlahmte das Interesse. In der schwedischen Tageszeitung »Sydsvenskan« meditierte René Vázquez über dieses »Medienphänomen«. Als Sánchez begann, brachte sie frischen Wind aus Havanna, schreibt er. Ihre Texte befassten sich mit dem schweren Alltag. Gut geschrieben, von einer Bloggerin, die die Revolution hasst. Leider verkümmerten ihre Berichte nach und nach zur klassischen Anti-Castro-Propaganda und sie erlitt das gleiche Schicksal wie andere Regimekritiker. Sie akzeptierte finanzielle Gefälligkeiten, die ihre journalistische Integrität einebneten.

Sánchez Blog wird in 18 Sprachen veröffentlicht. Weder UNO, Weltbank, Internationaler Währungsfonds noch State Department und CIA verfügen über so viele Übersetzungen. Sánchez erhält als Korrespondentin der spanischen Tageszeitung »El País« 2000 Dollar monatlich, als Vizepräsidentin der internationalen Presseorganisation 4000 Dollar. Nie hat sie über die gravierenden Blockadefolgen in Kuba berichtet, nie über Guantanamo oder über die kubanischen Spitzenleistungen in der Biotechnologie, schreibt das Blatt.

WikiLeaks enthüllte auch den Inhalt von Depeschen, die der Chef der US-amerikanischen Interessenvertretung in Havanna Jonathan D. Farrar dem State Department übermittelte. Da heißt es: Viele Mitglieder der Oppositionsgruppen seien ruhm- und geltungssüchtig, obgleich in Kuba praktisch unbekannt. Es existieren keine Plattformen, die ihren Einfluss in der Gesellschaft wesentlich stärken können; es gehe ihnen darum, finanzielle Mittel zu akquirieren, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Die Vorsteherin der Damen in Weiß, Bertha Soler, macht keinen Hehl daraus, dass sie unterwegs war, um neben dem Sacharow-Preis auch andere Quellen zu erschließen. »Damit wir unseren Einfluss in jedes Haus tragen und das Regime der Castro-Brüder ersticken können.« Es sei schamlos, wie sie sich anbiedere, kommentierte Max Lesnik, Direktor von Radio Martí, »ihre ultrarechte Haltung«. Sie verlangt zum Beispiel, die Blockade zu verstärken.

Am 26. April 2013 konnte man in der liberalen mexikanischen Zeitung »Sol de México« lesen, dass sieben der Damen in Weiß sich verabschiedet haben, weil Soler die Zuwendung von 30 Dollar also pro Demonstration, um die Hälfte beschnitten habe.

Ein anderes Kapitel ist der Fall Oswaldo Payá, einer der wenigen seriösen Dissidenten. Er war im Juli 2012 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Am Steuer saß ein spanischer Jugendfunktionär, der Zuwendungen an kubanische Dissidenten verteilen wollte. Ihm wurde der Prozess wegen fahrlässiger Tötung und Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit gemacht - laut dem spanischen Generalkonsul »korrekt, sauber und prozessual einwandfrei«. Witwe und Tochter Payá verbreiteten eine immer abenteuerlichere Version: Das Auto sei - entgegen Augenzeugenberichten - von einem Regierungsfahrzeug abgedrängt worden. Sie versuchten vergeblich einen neuen Prozess anzustrengen und die spanische Regierung einzuspannen.

Am 6. Mai verwies die Erzdiözese Havanna in ihrer Publikation »Espacio Laical« auf »einige Personen«, die in der Welt darauf drängten, die kubanische Regierung zu destabilisieren, und »versuchen, dem Land ein sozioökonomisches Modell aufzuzwingen, das Helligkeit bewiesen hat, aber auch großen Schatten«. Alles deutet darauf hin, dass die Mehrheit der Kubaner keinen Wandel wie den in vielen osteuropäischen Ländern wünscht.

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