Wo das Brathähnchen vom Teller sprang
Die spanische Region La Rioja hat mehr als nur Wein zu bieten - umgeschaut entlang des Jakobsweges
Von Santo Domingo de la Calzada, einem mittelalterlichen Städtchen in der nordspanischen Region La Rioja, wird eine seltsame Geschichte erzählt. Der Sohn einer Pilgerfamilie aus Xanten in Deutschland sei fälschlicherweise des Diebstahls bezichtigt und, wie im Mittelalter üblich, hingerichtet worden. Als die Eltern den Leichnam des Gehenkten sehen wollten, hörten sie plötzlich dessen Stimme. Er erzählte ihnen, dass der Heilige Domingo, Schutzpatron und Gründer der Stadt (um 1100), das Leben des Verurteilten erhalten habe. Der Richter, der davon erfuhr, soll ungläubig ausgerufen haben, ihr Sohn sei so lebendig wie der gebratene Hahn und die Henne, die er soeben verspeisen wolle. Daraufhin sprangen beide vom Teller und fingen an zu gackern. Seither sagt man hier: »Santo Domingo de la Calzada brachte das Brathähnchen zum Gackern.«
Geschichten wie diese, die in der einen oder anderen Version vielfach auf der Iberischen Halbinsel zu hören sind, weisen speziell in La Rioja auf eine der besonderen touristischen Attraktionen hin, den »Camino de Santiago«, zu deutsch Jakobsweg. In Logroño, der regionalen Hauptstadt, vereint sich der von den Pyrenäen, Navarra und Aragonien kommenden Französische Jakobsweg mit der Ebro-Variante des Camino, die über die ehemalige Via Romana vom Mittelmeer herkommt. Der von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Pilgerpfad, der zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela führt, hat auch in La Rioja deutliche Spuren hinterlassen. In Santo Domingo de la Calzada zum Beispiel weisen im Straßenpflaster eingelassene Platten mit dem Jakobssymbol den Pilgern den Weg. In zahlreichen, zum Teil Jahrhunderte alten Herbergen können sie für wenig Geld übernachten, bevor sie weiter auf dem Pfad, der in La Rioja durch uralte Marktflecken mit sehenswerter Architektur führt, nach Santiago gehen.
Nur wenige Kilometer von Santo Domingo entfernt befindet sich, ebenfalls am Jakobsweg, die Wiege der spanischen (kastellanischen) Sprache: San Millan de la Cogolla. Der Name geht auf einen Einsiedler zurück, der dort von 473 bis 574 gelebt und viele Wunder vollbracht haben soll. Ihm zu Ehren wurden zwei Klöster, Suso im 7. Jahrhundert und Yuso Anfang des 11. Jahrhunderts, erbaut. Ein Mönch namens Munio hat um 1100 den in lateinisch verfassten Kodex 46, der in dem Kloster von den Mönchen vervielfältigt wurde, am Rand mit fast literarisch anmutenden Erklärungen in kastilisch und baskisch versehen. Das gilt als Geburtsstunde der spanischen Sprache. Heute gehört der riesige Klosterkomplex, der im Laufe der Jahrhunderte immer wieder um- und ausgebaut wurde, zum Weltkulturerbe. Während in einem Teil der Anlage noch elf Augustiner-Mönche leben, hat in einem anderen Flügel ein Vier-Sterne-Hotel Platz gefunden.
Der Jakobsweg führt in La Rioja auch durch weite Weinfelder, die sich an sanfte Hügel schmiegen. Viele denken, wenn sie den Namen Rioja hören, überhaupt nur an den in dieser Gegend gekelterten weltberühmten und qualitativ hochwertigen Wein. Es gibt in La Rioja über 100 meist sehr große Weinkeltereien, von denen man viele besichtigen kann. Bevor man sich aber dem Rebensaft widmet, sollte ein Abstecher nach Briones auf dem Reiseprogramm stehen. Unweit des malerisch auf einem Hügel gelegenen Örtchens befindet sich die »Dinastia Vivanco«, von der UNESCO als bestes Weinmuseum der Welt ausgezeichnet. In dem futuristisch anmutenden supermodernen Bau erfährt der Besucher viel über die jahrtausendealte Geschichte der Weinkultur, die vom alten Ägypten über das antike Griechenland und die schon ausgeprägten Fähigkeiten römischer Winzer bis in die Gegenwart reicht. In La Rioja, so erfährt man hier auch, werden heute vor allem sieben Rebsorten angebaut: Vier rote mit dem Tempranillo als bekanntester, und drei weiße, vor allem Granacha.
In Baldaran, in der Bodega von David Morena, wird der Besucher in Geheimnisse und Qualitätsunterschiede der Rioja-Weine eingeführt. Sie reichen vom jungen, einfachen »Tinto joven« über den »Crianza«, der mindestens zwölf Monate im Eichenfass gereift ist, den »Reserva« (16 Monate im Fass) bis zum »Gran Reserva«, der wenigstens zwei Jahre im Fass verbleibt. Wer will, kann sich bei David Morena gleich ein ganzes Fass Wein bestellen - 1680 Euro für einen »Reserva« muss man dafür hinlegen. Wem es zu umständlich ist, das ganze Fass mit nach Hause zu nehmen, dem füllt der Winzer es auch in Flaschen und liefert sie dem Kunden frei Haus.
Ausgangspunkt für eine Wanderung auf dem Jakobsweg ist in La Rioja die Provinzhauptstadt Logroño. Beeindruckende Bauwerke wie die barocke Kirche Santa Maria la Redonda oder die von Kaiser Konstantin gegründete Santa Maria del Palacio ziehen die Pilgerscharen ebenso an wie das Portal von San Bartolomé, ein Prachtbau im gotischen Stil. Logroño hat sich auch einen Namen als Gourmet-Stadt gemacht. In der Calle Laurel, einer gewundenen Gasse in der Altstadt, kann man auf engstem Raum eine Reise durch die vielfältige Küche der Region machen. Abend für Abend, und vor allem an den Wochenenden, treffen sich hier Einheimische und Touristen, um in einer der vielen kleinen Bars Tapas, die in La Rioja Pinchos genannt werden, und andere kulinarische Köstlichkeiten zu probieren. Man steht an kleinen Tischen, meist auf der Gasse, isst etwas und trinkt den guten Rioja-Wein. Salud!
Infos: Spanisches Fremdenverkehrsamt Berlin, Postfach 31 17 06, 10654 Berlin, Tel.: (030) 882 65 43, E-Mail: berlin@tourspain.es, www.tourspain.es / www.spain.info
Eine Führung mit ausgiebigem Essen und begleitenden Weinen in der Bodega von David Morena kostet 36 Euro pro Person.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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