Machtkampf in Ägypten spitzt sich zu

Auch Außenminister reicht Rücktritt ein / Mursi lässt Ultimatum der Armee zurückweisen und hält an Macht fest

  • Lesedauer: 3 Min.

Kairo (Agenturen/nd). Der Machtkampf in Ägypten hat sich weiter zugespitzt. Der umstrittene Präsident Mohammed Mursi ließ in der Nacht zum Dienstag ein von den ägyptischen Streitkräften formuliertes Ultimatum zurückweisen, das der Politik 48 Stunden Zeit zur Konfliktlösung gegeben hatte. In einer Erklärung der Präsidentschaft hieß es stattdessen, die Regierung werde auf dem von ihr eingeschlagenen Weg zur Beruhigung der Lage »fortfahren«.

Die »Forderungen der Bevölkerung« müssten »binnen 48 Stunden« erfüllt werden, hieß es am Montagabend in einer im Fernsehen verlesenen Erklärung der Armee. Das rasche Eingehen auf die Forderungen aus dem Volk sei die »letzte Chance« für die Staatsführung, den »historischen Umständen« gerecht zu werden, erklärten die Streitkräfte. Andernfalls werde das Militär selbst einen Fahrplan und Maßnahmen zu dessen Umsetzung verkünden.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur Mena berichtete, reichte in der Nacht auch Außenminister Amr seinen Rücktritt ein. Zuvor hatten bereits fünf andere Minister, darunter der für Justiz, ihre Ämter aufgegeben

Unter Mursis Gegnern auf dem Tahrir-Platz in Kairo brach nach der Ankündigung der Armee Jubel aus. Zehntausende Menschen liefen durch die Straßen der Hauptstadt und auch in Alexandria und anderen großen Städten des Landes gab es erneut Demonstrationen. Die Oppositionsbewegung hatte ihre Anhänger zuvor aufgerufen, bis zum Rücktritt Mursis auf den Straßen zu bleiben.

Die Präsidentschaft erklärte hingegen wenige Stunden später, die Ultimatumsforderung sei Mursi vor der Verkündung nicht unterbreitet worden und sie enthalte außerdem Unklarheiten. Die Regierung werde daher »auf dem Weg fortfahren, den sie gewählt hat«, um eine nationale Versöhnung zu erzielen, hieß es in der Erklärung. Darin verurteilt die Präsidentschaft zudem »jede Erklärung, welche die Spaltung des Landes noch vertieft« und die »den sozialen Frieden gefährden« könne.

Mursi setze daher seine »Konsultationen mit allen nationalen Kräften fort, um den Weg des demokratischen Wandels und den Schutz des Volkswillens zu sichern«. Der zivile demokratische ägyptische Staat sei eine der wichtigsten Errungenschaften der Revolte des Jahres 2011, hieß es mit Bezug auf den Sturz des ägyptischen Machthabers Husni Mubarak weiter. Ägypten werde daher »unter keinen Umständen zulassen«, wieder einen Schritt zurück zu gehen.

Diese harten Worte setzte die Präsidentschaft den Protestierenden entgegen, die seit Tagen in Massen auf den Straßen des Landes für Mursis Rücktritt protestieren. Mehrere Millionen Menschen waren am Sonntag zum Jahrestag des Amtsantritts des Staatschefs auf die Straße gegangen. Bei den Protesten wurden 16 Menschen getötet.

Allein acht Menschen starben nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei blutigen Zusammenstößen zwischen Mursi-Gegnern und Anhängern vor dem Sitz der Muslimbruderschaft in Kairo. Am Montagvormittag stürmten Demonstranten das Gebäude und setzten es in Brand. Angreifer warfen Gegenstände aus den Fenstern und plünderten die Räume.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!