Mit einem Blubb wie neu
Wasserwerke sprengen ihre Brunnen - und verlängern damit deren Nutzungsdauer
»Drei, zwei, eins, jetzt«, sagt der Arbeiter und drückt den Zünder. Einen kurzen Moment bebt der Waldboden, als wäre gerade ein sehr kurzer U-Bahnzug durchgefahren. Die Berliner Wasserbetriebe haben gerade Trinkwasserbrunnen C 20 gesprengt. Das heißt nicht, dass er kaputt gemacht worden wäre. Vielmehr wurde sein Leben um weitere fünf Jahre verlängert.
»Der Stempel, den die Geologie dem Wasser aufdrückt, zeigt sich in unseren Brunnen«, erklärt Thomas Krause vom Friedrichshagener Wasserwerk. Das sehr engmaschige Edelstahlgitter der Filterrohre setzt sich mit den Stoffen zu, die das Wasser bei seinem Weg durchs Erdreich aufnimmt. Eisen, Mangan, Kalzium und Magnesium sind das im Berliner Falle. Verockerung nennt sich dieser Prozess.
Bürsten, Wasserdruckdüsen oder auch Chemikalien können eingesetzt werden, um die Filterrohre in den in Berlin meist zwischen 40 und 80 Meter tiefen Brunnen wieder freizubekommen. Seit Ende der 80er Jahre setzen die Wasserbetriebe jedoch auf das in den 50er Jahren in das USA entwickelte Sprengschockverfahren. »Bei unseren ersten Versuchen sind noch einige Brunnen kaputt gegangen«, erinnert sich Lutz Schmolke von den Wasserbetrieben. »Unser Know-How ist, dass wir richtig dosieren können.«
Einige tausend Euro kostet so ein Einsatz. Das ist nicht billig, aber doch wesentlich preiswerter als die Anlage eines neuen Brunnens, die mit allem drum und dran mit 140 000 Euro zu Buche schlägt. Denn dabei geht es nicht nur darum, einfach ein Loch in den Waldboden zu graben. Allein schon das kostet mit der erforderlichen Kiesschicht rund um das Filterrohr rund 1000 Euro pro Tiefenmeter. Dann kommen noch Sachen wie Pumpen, eine Abdeckung, der Anschluss an die Leitung zum Wasserwerk und viele andere Kleinigkeiten dazu.
Zunächst löst die Druckwelle der Sprengung die hartnäckigen Beläge. Die kurze Zeit später mit einem kleinen Blubb entweichende Gasblase zieht die abgelösten Teilchen in den Brunnen. Dunkelbraun bis schwarz ist das abgepumpte Wasser, das die Arbeiter anschließend abpumpen. Immer wieder kontrollieren sie in einem Glaskegel die Trübung des Wassers. Ist es klar und zeigt die folgende bakteriologische Kontrolle keine Auffälligkeiten, kann der Brunnen wieder ans Netz gehen.
215 Brunnen in einem weiten Gebiet rund um den Müggelsee hat allein das Friedrichshagener Wasserwerk in verschiedenen Galerien. So nennen sich die entlang jeweils einer zum Werk führenden Leitung wie eine Perlenkette aufgereihten Schächte. Berlinweit sorgen rund 650 Brunnen für ausreichend Trinkwasser.
Bevor das Wasser ins Netz abgegeben werden kann, müssen noch Eisen und Mangan entfernt werden. Das geschieht im Wasserwerk, wo in Rieslerstraßen das Wasser belüftet wird. Der Kontakt mit dem Luftsauerstoff lässt die unerwünschten Stoffe ausflocken, endgültig vom Wasser getrennt werden sie in den anschließenden Filterbecken. »Wir reinigen das Berliner Wasser nur mit Berliner Sand und Berliner Luft«, sagt stolz Wasserbetriebe-Sprecher Stephan Natz. Auf Chlor und andere Chemikalien ist man im Regelfall nicht angewiesen.
Und doch gibt es in Berlin Orte, in denen unnatürlich schmeckendes Leitungswasser aus dem Hahn kommt. »Meines Wissens chloren alle 5-Sterne-Hotels in der Stadt ihr Wasser, weil die internationale Kundschaft diesen Geschmack erwartet«, sagt Natz. »Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier«, fügt er mit einem Schulterzucken an.
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