Flüchtlinge sollen früher in Wohnungen umziehen

Land will Investitionspauschale künftig nicht mehr nur für Gemeinschaftsunterkünfte zahlen

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Brandenburg will Asylbewerber in Zukunft früher in Wohnungen unterbringen als bisher. Derzeit dürfen 40 Prozent der Asylsuchenden in Wohnungen wohnen, 60 Prozent müssen mit sechs Quadratmetern in einer Gemeinschaftsunterkunft Vorlieb nehmen. »In einer Gemeinschaftsunterkunft sind die Bedingungen für eine Integration auf den Arbeitsmarkt sehr viel schwieriger«, sagte Sozialstaatssekretär Wolfgang Schroeder (SPD) gestern.

Die Forderung von Flüchtlingsorganisationen, allen Flüchtlingen Wohnungen zu geben, macht sich das Sozialministerium aber nicht zu eigen. »Da muss man jeden Fall einzeln ansehen. Für uns ist die gute Unterbringung und soziale Betreuung von Flüchtlingen aber sehr wichtig«, betonte Schroeder. Seit 2009 hat Brandenburg die Zahl der Wohnungen für Flüchtlinge verdoppelt. Vorreiter ist die Prignitz, wo sie alle in Wohnungen leben. Hingegen hat Oberhavel politische Vorbehalte gegen diese Variante.

Die Landesregierung rechnet für dieses Jahr mit 3000 neu einreisenden Flüchtlingen. Das ist gegenüber dem Vorjahr, wo es 1700 Einreisen gab, fast eine Verdoppelung. »Das stellt die Kommunen vor eine enorme Herausforderung«, sagte der Staatssekretär. Er appellierte, sich langfristig auf steigende Zahlen einzustellen. Zuständig für die Unterbringung sind die Kommunen. Das Land kann nur Weichen in die richtige Richtung stellen. Das will es in Zukunft auch mit finanziellen Anreizen tun. So kann sich Schroeder vorstellen, die für Asylheime vorgesehene Investitionspauschale vom Land von derzeit 2300 Euro pro Platz in Zukunft auch für Wohnungen anzuwenden. Neben den Vorteilen für die Flüchtlinge würde das Land noch Geld sparen - für den Wachschutz, der in den Heimen eingesetzt ist. Damit so eine Verordnung nicht vor dem Landesverfassungsgericht kippt, müssen zuvor allerdings aufwändig die Kosten einer Wohnungsunterbringung für alle Regionen Brandenburgs recherchiert und die Landesmittel müssen darauf zugeschnitten werden. Das dauert. Darum kann es erst 2015 soweit sein, falls die nächste Landesregierung sich auch dazu bekennt.

Schroeder lobte die große Offenheit der Brandenburger gegenüber Flüchtlingen. Im Barnim wurde sogar ein Willkommensfest gefeiert. Bürger engagieren sich vielerorts für eine gute Nachbarschaft. »Ich will nicht verschweigen, dass es auch Ressentiments gibt«, erklärte Schroeder. Aber Verhältnisse wie in Berlin, wo rund um jede neu eröffnete Gemeinschaftsunterkunft Anwohner protestieren und sich oft auch Bürgerinitiativen bilden, gebe es in der Mark nicht.

Derzeit kommen 60 Prozent der Flüchtlinge in Brandenburg aus Tschetschenien, die anderen überwiegend aus Iran, Irak, Afghanistan und Syrien. Zusätzlich wird Brandenburg 154 Syrer aufnehmen, die von der Bundesregierung aus Flüchtlingslagern in Jordanien eingeflogen werden, wo sie gegenwärtig unter unmenschlichen Bedingungen campieren. Der Ankunftstermin liegt wahrscheinlich im September.

Schroeder will die Tschetschenen schneller wieder loswerden. Die seien in aller Regel über Polen gekommen, folglich sei der Nachbarstaat nach internationalen Vereinbarungen für die Asylverfahren zuständig. Brandenburg möchte die Tschetschenen folglich nach Polen zurückschicken, kann es aber nicht, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dafür zu wenig Personal bereitstellt. »Ohne diese Gruppe aus Tschetschenien wären unsere Probleme, insbesondere die der Überfüllung in Eisenhüttenstadt, deutlich geringer«, sagt Schroeder. In Eisenhüttenstadt müssen Flüchtlinge derzeit in Containern wohnen. Viele haben deutlich weniger Platz als die sechs Quadratmeter, die ihnen gesetzlich zustehen.

Über die Probleme der Tschetschenen in Polen weiß eine sechsköpfige tschetschenische Familie Bescheid, die vier Jahre in Polen lebte und inzwischen in Eisenhüttenstadt wohnt. Dort durften die Kinder nicht zur Schule gehen und die Familie hatte keinen Anspruch auf ärztliche Versorgung, berichtet der Vater. »Zudem wurden wir rassistisch diskriminiert. Ich habe meinen Job in einem Kebab-Restaurant aufgegeben und bin nach Deutschland gekommen, nachdem ich von Rassisten angegriffen wurde«, sagte der Mann. Er zeigte seine Schulterverletzung.

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