Radverkehr mit Hindernissen

Senat legt beim Ausbau der Infrastruktur den Rückwärtsgang ein

  • Bernd Kammer und Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Sichtlich irritiert tastet sich Lisa Gerwald auf ihrem Fahrrad an die Kreuzung in der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg heran. Wo sie eben noch einigermaßen sicher auf einem Fahrradstreifen entlangfuhr, löst sich dieser Weg mit einem Mal ins Nichts auf, als Gerwald links in die Danziger Straße einbiegen will. Die Ampel schaltet auf, die junge Frau zögert kurz, was von einem hinter ihr stehenden Autofahrer mit einem lauten Hupen kommentiert wird. Gerwald rollt auf den Gehweg, da sie sich auf der Straße zu unsicher fühlt. »Als Radfahrer fühlst du dich ein wenig bedroht«, sagt sie.

Und das wird in der Danziger Straße eventuell noch eine Weile so bleiben. Der Abschnitt zwischen Prenzlauer und Landsberger Allee sollte nach den Plänen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in den nächsten zwei Jahren Radstreifen auf den Fahrbahnen erhalten, so wie 36 weitere Straßenabschnitte mit 40 Kilometer Gesamtlänge in der ganzen Stadt. Doch wie viel davon realisiert werden kann, steht nach den in der vergangenen Woche bekanntgewordenen Kürzungsabsichten des Senats in den Sternen. Wie berichtet, sind im Haushaltsplanentwurf für die kommenden beiden Jahren nur noch jeweils 2,5 Millionen Euro für neue Radwege und Fahrstreifen eingeplant, eine Million Euro weniger als in diesem Jahr. Wenigstens bei der Instandhaltung der Radwege soll es unverändert bei zwei Millionen Euro jährlich bleiben.

Der SPD-Verkehrsexperte im Berliner Abgeordnetenhaus, Ole Kreins, geht davon aus, dass die von der Finanzverwaltung angestrebten Kürzungen noch nicht das letzte Wort sind. »Ich bin mir gewiss, dass wir noch was rausholen können«, sagte Kreins. In den nach der Sommerpause anstehenden Haushaltsberatungen im Parlament will sich Kreins dafür einsetzen, dass die bisherige Summe »mindestens« gehalten werden kann. »Der Ausbau des Radverkehrs ist und immens wichtig«, so Kreins. Beim Koalitionspartner CDU sehe man das genauso.

Schon einmal sind die Kürzungspläne des Senats am Widerstand des Parlaments gescheitert: 2012 wollte der Finanzsenator die Mittel für die Unterhaltung der Radwege auf eine Million Euro halbieren.

Auch beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) will man sich mit den Kürzungen nicht zufrieden geben, im Gegenteil. »Wir fordern eine Aufstockung der Mittel für den Ausbau der Radwege auf vier Millionen Euro«, sagt ADFC-Landesgeschäftsführer Phillipp Poll. Damit liegt er eigentlich auf einer Linie mit dem Senat, dessen gerade erst beschlossene Radverkehrsstrategie mehr Investitionen vorsieht. Denn Berlin hat Nachholebedarf. Während der Nationale Radverkehrsplan der Bundesregierung fordert, mindestens fünf Euro pro Einwohner und Jahr in die Radwege zu stecken, kommt Berlin auf knapp 1,35 Euro, hat der ADFC ausgerechnet. Auch wenn es nicht bei den Kürzungen bleibt, wäre diese Zahl kaum größer. »Hier wird nur vermeintlich gespart, denn die volkswirtschaftlichen Folgekosten einer verfehlten Verkehrspolitik sind höher als die jetzigen Einsparungen«, kritisiert die ADFC-Landeschefin Eva-Maria Scheel.

Tatsächlich ist der Ausbau in den letzten Jahren nur schleppend vorangekommen. Wurden zwischen 2006 und 2009 insgesamt 45 Kilometer Radstreifen auf die Fahrbahn gepinselt, waren es von 2009 bis 2012 mit 49 nur unwesentlich mehr, wie aus einer Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Stefan Gelbhaar hervorgeht. »Wenn das so weitergeht, haben wir erst in 80 Jahren alle Hauptstraßen ausgebaut«, spöttelt der Grüne.

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