Viraler Neonazismus
Mehr Propaganda in sozialen Netzwerken
»Spar Kohle, Heitz mit Juden«: So platt und widerwärtig wie dieser, orthografisch falsche, 2012 bei »Facebook« hochgeladene »Witz« ist rechte Propaganda nicht immer. Doch nach dem Jahresbericht 2012 von »jugendschutz.net« gibt es auch weiterhin viel dumpfe Hetze - und eines der Probleme im Kampf dagegen besteht in der noch immer schleppenden Kooperation von Anbietern. »Fehlende Sanktionen« könnten »dazu führen, dass ein Klima gefördert wird, in dem Diskriminierungen salonfähig erscheinen«, heißt es in dem Papier, das am Dienstag vorgestellt wurde. Doch stehe »Facebook« nicht mehr alleine am Pranger: Zwar seien 95 Prozent der registrierten Propagandaverstöße in sozialen Netzwerken auf den Marktführer entfallen, doch hätten die Braunen nun den russischen Dienst »vk« entdeckt.
Noch besorgniserregender erscheinen den Jugendschützern indes Angebote, die nicht gleich als extrem rechts zu erkennen sind: »Stylishe Blogs« mit Namen wie »Verdikte«, »Pinselstriche« oder »Mauerblümchen« sprächen Jugendliche »über ein modernes Outfit« an. Dabei benutzte Symbole seien zunächst unverdächtig und schafften Wiedererkennungseffekte - und erreichten mit ihrem Angebot aus »Videos, Jingles und aktuellen Beiträgen« hohe Klickzahlen.
In eine ähnliche Kategorie fällt für die Jugendschützer die sogenannte »identitäre« Bewegung. Ihre »ethnopluralistische« Version der »Volksgemeinschaft« - »100 Prozent Identität, 0 Prozent Rassismus« - verbreite die jüngste Plattform der »Neuen Rechten« in erlebnisorientierter Verpackung und setze dabei ganz wie die moderne Werbung auf »virale Effekte«, also das Weiterleiten oder »Posten« ihrer Inhalte durch Nutzer. Dafür tummeln sich die extremem Rechten zunehmend in Online-Diensten wie »Twitter«: Allein dort sei die Zahl der einschlägigen Profile um 35 Prozent angestiegen.
»Jugendschutz.net« ist eine 1997 von den Länderjugendministerien gegründete gemeinnützige GmbH, die auf Grundlage des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages vor allem im Netz problematische Inhalte aufspürt und Anbieter sowie die »Kommission für Jugendmedienschutz« informiert. Dazu sahen sich die Netzwächter im Vorjahr öfter veranlasst als je zuvor: Insgesamt ergaben sich 1673 »Verstöße«, von denen 80 Prozent als »strafbar« und 20 Prozent als »jugendgefährdend« eingestuft wurden. Gerade bei den strafbaren Verstößen ergibt sich gegenüber 2011 eine Steigerung von 13 Prozent. Inzwischen entfallen 80 Prozent dieser Äußerungen auf interaktive soziale Netzwerke. Eine Ausnahme scheinen nur die Islam-Hasser zu machen. Sie setzen weiterhin eher auf klassische Internetseiten. Allein vergangenes Jahr gab es 60 Prozent mehr Präsenzen solcher Zielrichtung.
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