Neonazis mussten abtauchen

Hunderte Demonstranten bremsten rechten Aufmarsch aus

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.

Ihren Auftakt in Kreuzberg sagten sie gleich ganz ab, in Marzahn-Hellersdorf verschanzten sie sich hinter schwarzen Regenschirmen, und auch an den übrigen drei Stationen brandeten ihnen Lärm und Protest entgegen. Ihre winzigen Kundgebungen hielten sie in grünweißen Wagenburgen ab: Die NPD wollte am Samstag an fünf Orten in unmittelbarer Nähe zu Flüchtlingsunterkünften ihre Parolen verkünden – und scheiterte.

Ursprünglich sollte die Tour auf dem Kreuzberger Moritzplatz beginnen. Derwar jedoch schon am frühen Morgen besetzt von rund 500 Gegendemonstranten. Parteien, antifaschistische Initiativen und Gruppen hatten dorthin mobilisiert. Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt sagte der Nachrichtenagentur dpa, die erste Aktion habe der NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke abgesagt, nachdem er von den vielen Gegendemonstranten erfahren habe. Berlins langjährige Ausländerbeauftragte Barbara John begrüßte die Demonstrationen gegen die braune Tour.

Es rege sie immer auf und müsse alle aufregen, »wenn Menschen, die ein Recht suchen, das wir ihnen geben, degradiert, herabgesetzt werden, wenn sie schlecht gemacht werden, wenn gegen sie gehetzt wird«, sagte John im RBB Inforadio. In Marzahn-Hellersdorf waren Platz und Kreuzung vor der Alice-Salomon-Fachhochschule ebenfalls schon vor Eintreffen der NPD und ihrer kleinen Fangemeinschaft besetzt: Rund 800 Menschen warteten in der prallen Sonne, um den Nazitruck mit Sprechchören und Trillerkonzert zu empfangen. Von zwei Seiten der Kreuzung dröhnte Musik über den Platz.

Einige Beamte gingen hier übertrieben heftig gegen Demonstranten vor, die grüppchenweise versuchten, die Kreuzung zu blockieren – die sowieso bereits teilweise von Beamten und Polizeibussen abgeriegelt war. Etwa zehn NPD-Anhänger hielten schließlich, abgeriegelt von Polizeibussen und Beamten, eine – wenn man so will – Kundgebung ab. Unter anderem Schmidtke sprach zu umstehenden Pkw und schwarzen Regenschirmen: Nachdem Eier und mit (verdächtig gelblicher) Flüssigkeiten gefüllte Gummihandschuhe flogen, hatten sich fünf mit Schirmen ausgerüstete Männer um ihre Parteikader postiert.

Auch an den Kundgebungsorten in Reinickendorf, Charlottenburg und Marienfelde protestierten Hunderte Menschen und übertönten lautstark die rechten Veranstaltungen. Die linken Demonstranten blieben zum Teil in einem ausrangierten BVG-Doppeldecker-Bus, den Aktivist Dirk Stegemann lenkte, dem Kleinlaster der Rechten auf der Spur. Der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), unterstützte die Gegendemonstration. Mit Blick auf ein Flüchtlingsheim in seinem Bezirk sagte er, diese Menschen seien dort willkommen. »Der Umgang mit Flüchtlingen in Kreuzberg könnte vorbildlich für andere Bezirke sein.«

Seinen Angaben zufolge plant Schulz auch Gespräche mit anderen Politikern zur Integrationspolitik. So seien Innensenator Frank Henkel (CDU), Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD), Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, für Donnerstag zu einem Treffen eingeladen. »Es war kein einfacher Job, in einer aufgeheizten Stimmung für einen weitgehend friedlichen Ablauf aller Veranstaltungen zu sorgen«, erklärte Henkel am Samstagabend. Es freue ihn, dass die Hetze der NPD nicht unwidersprochen geblieben sei. Gleichzeitig habe die Polizei beide Seiten erfolgreich trennen können.

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