Strom-Volksentscheid erst nach der Bundestagswahl

Harsche Kritik an Festlegung des Abstimmungstermins auf den 3. November

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Dienstagmittag verkündet der Senat, was sich bereits angedeutet hatte: Der Volksentscheid »Neue Energie für Berlin« wird am 3. November stattfinden. Der Termin am 22. September, also gleichzeitig mit der Bundestagswahl, ist damit vom Tisch. Innensenator Frank Henkel (CDU) sagt, der Termin am 22. September hätte »praktische Probleme« bedeutet, »die sich nicht mit einer ordnungsgemäßen Durchführung vereinbaren« ließen.

Entgegen anders lautender Berichterstattung ginge es ihm »nicht darum, eine hohe Beteiligung zu verhindern«. Dass er als Oppositionsführer noch 2009 für eine Zusammenlegung von Europawahl und Volksentscheid »Pro Reli« geworben habe, halte er »nach wie vor für richtig«. Nun seien die Rahmenbedingungen aber anders. Dabei geht es insbesondere um eine amtliche Informationsbroschüre zu dem Begehren, die vor dem Entscheid an alle Wahlberechtigten verschickt werden muss.

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Der 22. September wäre möglich gewesen

Nachdem die Unterschriftensammlung im Juni erfolgreich beendet wurde, erlaubte der Zeitplan der Landeswahlleiterin nun eine Festlegung des Termins für den Volksentscheid zwischen dem 15. September und 3. November. Die Kosten für einen von der Bundestagswahl getrennten Termin schätzt der Senat auf etwa 2, 6 Millionen Euro, ein gemeinsamer Termin kostet nach Senatsangaben etwa 1,4 Millionen Euro.

Laut Artikel 62 der Berliner Verfassung muss ein Volksentscheid innerhalb von vier Monaten nach erfolgreichem Abschluss eines Volksbegehrens, also der Einreichung von genügend Unterschriften, erfolgen. Der Gesetzestext erlaubt ausdrücklich, die Frist für die Herbeiführung eines Volksentscheids sogar von vier auf acht Monate zu verlängern, wenn »dadurch der Volksentscheid gemeinsam mit Wahlen oder mit anderen Volksentscheiden durchgeführt werden kann«. MGU

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Nun ist die Katze aus dem Sack. Wie zu erwarten war, will der Senat den Volksentscheid zur Rekommunalisierung des Stromnetzes nicht parallel zur Bundestagswahl am 22. September abhalten, sondern separat am 3. November. Mehr

Da diese noch nicht in den Druck gegangen sei, werde sie bei einem Termin am 22. September möglicherweise erst eine Woche vor dem Entscheid zugestellt werden können – zu wenig Zeit, so Henkel, sich ausreichend informieren zu können. Zudem könne diese Broschüre nicht gemeinsam mit den Briefwahlunterlagen zur Bundestagswahl verschickt werden, die separate Verschickung koste jedoch etwa 800 000 Euro. Beziehe man diese Kosten mit ein, wäre ein separater Termin für den Volksentscheid nur noch etwa 250 000 Euro teurer als eine Abstimmung bei der Bundestagswahl.

Der Nachteil dieser weiterhin bestehenden Mehrkosten hätte in der Abwägung geringer gewogen als der Vorteil der frühzeitig verschickten Informationsbroschüren, die für eine »saubere Vorbereitung« wichtig seien, so Henkel. Auf die Frage, warum der Senat diese denn nicht auch zum 22. September ermöglichen könne, entgegnet Henkel, er sei ja schließlich nicht für die Sommerferien verantwortlich. Michael Efler, Vertrauensperson des Berliner Energietischs, nennt die Entscheidung gegenüber »nd« ein »Trauerspiel«. »Das ist ein Schlag ins Gesicht der 230 000 Unterzeichner.«

Der Senat habe mit der Entscheidung gezeigt, dass ihm weder an einer rekommunalisierten Energieversorgung noch an direkter Demokratie etwas liege. Ähnlich verheerend fallen die Urteile der Oppositionsparteien aus: Die Terminverschiebung sei ein »Zeichen von Dilettantismus«, sagt Harald Wolf, energiepolitischer Sprecher der LINKEN. Offenbar habe sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gegen seine SPD-Genossen, Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh und Parteivorsitzenden Jan Stöß, durchgesetzt und lasse nun Frank Henkel den schwarzen Peter spielen. Die Grünen-Vorsitzende Bettina Jarrasch spricht von einem »Offenbarungseid« des Senats, dessen Begründungen »hohl und unglaubwürdig« klängen.

Der Piraten-Abgeordnete Martin Delius nennt insbesondere das Verhalten der SPD, die vielfach Wohlwollen gegenüber dem Anliegen des Volksbegehrens und ausgedrückt hatte, eine »dreiste Täuschung«. Der SPD-Landesvorstand hatte sich für den 22. September eingesetzt, der Parteivorsitzende Stöß twitterte nun, die SPD Berlin teile das Kernanliegen des Energietischs unabhängig vom Termin. Um neun Uhr morgens hatte der Energietisch noch eine Kundgebung vor dem Roten Rathaus veranstaltet mit etwa 50 Teilnehmern veranstaltet. Michael Efler betonte in seinem Redebeitrag, es ginge hier nicht nur um den Volksentscheid, sondern darum, »wie in dieser Stadt mit direkter Demokratie umgegangen wird«.

Entmutigen wollen sich Initiatoren und Unterstützer des Volksbegehrens indes nicht. Man werde die »Wut der Bürger jetzt kanalisieren und für einen erfolgreichen Entscheid auch am 3. November kämpfen«, sagt Efler. Auch die Oppositionsparteien kündigten an, das Volksbegehren nun umso mehr zu unterstützen.

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