Auf brutalste Weise ausgelöscht
Der Prozess um Jonny K. ist bald vorbei, die Täter könnten mit milden Strafen davonkommen
Sieben Verhandlungstage im zweiten Prozessanlauf um den Tod des 20-jährigen Jonny K. sind vor dem Berliner Landgericht absolviert, fünf werden noch folgen. Alles Wichtige, so scheint es, ist gesagt. Der Höhepunkt des siebenten Verhandlungstages in dieser Woche war die eindringliche Mahnung des Gerichts an die vier nicht in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten, in den Pausen nicht auf der Toilette zu rauchen, da dies verboten und dem Anlass des Verfahrens – der gewaltsame Tod eines Menschen – nicht angemessen sei.
Die letzten zwei Polizeizeugen wurden nur kurz befragt, da sie nicht am Tatort ermittelt hatten und nur am Rande in den Fall involviert waren. In den letzten bevorstehenden Verhandlungstagen sollen noch einmal Polizisten gehört werden, dann werden die Biografien der sechs Angeklagten erörtert und schließlich die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gehalten, bevor der Vorsitzende Richter Helmut Schweckendieck voraussichtlich am 15. August das Urteil verkünden wird.
Was ist bisher geschehen? Zunächst kamen die sechs mutmaßlichen Schläger zwischen 19 und 24 Jahren zu Wort. Alle gaben zum Auftakt des Prozesses zu, an der tödlichen Schlägerei in der Nacht zum 14. Oktober 2012 an den Rathauspassagen beteiligt gewesen zu sein. Onur U., der immer wieder von Zeugen als der Gewalttätigste von allen beschrieben wurde, wies eine Mitschuld am Tod des ThaiDeutschen Jonny K. klar von sich. Er habe nur auf den Freund von Jonny eingeschlagen, nicht aber auf den tödlich Verletzten.
Auch die anderen stark alkoholisierten Rambos räumten Tritte und Schläge ein. Den entscheidenden Hieb oder Fußtritt, der den Kopf des Opfers auf dem Pflaster aufschlagen ließ, so dass er im Krankenhaus an einer Gehirnblutung starb, will niemand ausgeführt haben. Keiner belastete den anderen und jeder war bemüht, seine eigene Schuld so gering wie möglich zu halten. Dann sprachen jene, die als Opfer der Gewalttat mit gelitten haben. Gerhard C., der afrodeutsche Freund von Jonnys Schwester Tina, der ebenfalls schwer verletzt wurde. C. erkannte in Onur U. einen der Täter.
Welchen Anteil er an der Gewaltorgie auf Jonny K. hatte, konnte er nur schwer beschreiben, da er selbst in Lebensgefahr war. Kien N., ein weiterer Freund der Gruppe, wollte ein Taxi holen, als er zum Tatort zurückkehrte, war alles schon vorbei. Er leistete erste Hilfe und hielt den Sterbenden in seinen Armen. Fünf Augenzeugen sagten überdies aus, wie hemmungslos die sechs Angreifer auf das wehrlose Opfer eintraten. Als sich Jonny K. nicht mehr regte, da wussten sie, es ist etwas Schreckliches passiert. Sie halfen, soweit es möglich war und alarmierten die Feuerwehr.
Auch diese Zeugen konnten nicht genau sagen, wer den tödlichen Schlag ausführte. An den nächsten Prozesstagen sagten ein Rechtsmediziner der Charité sowie Ärzte des Krankenhauses Friedrichshain aus, in das Jonny K. bewusstlos eingeliefert worden war und wo er verstarb. Äußerlich, so das einstimmige Urteil der Experten, waren die Verletzungen nicht so sehr sichtbar, wie es nach dem Gewaltexzess zu vermuten war. Insgesamt vier schwere Einwirkungen auf den Kopf hätten die Gehirnblutung auslösen können – die Schläge, Tritte oder der Aufprall auf dem Pflaster.
Eine Rettung sei in dieser Situation nicht mehr möglich gewesen. Eine klare Zuordnung, was genau zum Tod geführt hat, sei nicht zu sagen. Die Verteidiger der mutmaßlichen Täter gaben sich Mühe, die Gutachten anzuzweifeln. Todesursächlich hätte auch eine andere Gehirnschädigung sein können, mutmaßten sie, doch das wiesen die Ärzte zurück. Schließlich musste der Gerichtsmediziner der Charité auf Antrag der Verteidigung seine Aussagen beeiden, dass er nach bestem Wissen und Gewissen sein Gutachten erstellt habe. Vom sechsten Prozesstag wussten die Medien nur zu berichten, dass einer der jungen Männer auf der Anklagebank einen Schwächeanfall erlitten hatte und von einer Gerichtssanitäterin medizinisch versorgt wurde. Die Anklage in dem Prozess lautet auf gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge für die Attacke auf Jonny K., gefährliche Körperverletzung für den Angriff auf Gerhard C. und Beteiligung an einer Schlägerei.
Wem welche Tatbeteiligung zugeordnet werden konnte, war bisher nicht zweifelsfrei zu klären. Doch was bleibt, wenn keinem der Schläger die todbringende Aktion nachzuweisen ist? Klar ist nur, dass Jonny K.s Leben auf brutalste Weise ausgelöscht wurde. Somit müssten eigentlich alle sechs Angeklagten für ihre gemeinschaftliche Tat zur Verantwortung gezogen werden. Wie das Gericht letztendlich entscheidet, wird sich zeigen. Die Täter jedenfalls zeigten sich in all den Prozesstagen nicht sonderlich beeindruckt. Ihre Aussichten stehen nicht schlecht, mit einer milden Strafe davonzukommen.
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