Keine Eile mit dem Euro

Litauens Bevölkerung hat die neue Währung schon bezahlt

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Finanzminister Rimantas Šadžius sagt Dezember 2013, sein Premier Algirdas Butkevicius Frühjahr 2014. Sicher bleibt, dass Litauen bei der EU-Kommission den Antrag auf Eintritt in die Eurozone stellen wird.

Litauens künftige Euro-Münzen und -scheine werden vom nationalen Emblem (lit. Vytis) geziert. Der Ritter hoch zu Ross und mit gezogenem Schwert stammt aus dem Jahr 1366. Er wurde von einer Umfragemehrheit der Bevölkerung des Ostseestaates bereits 2005 auserwählt. Doch von den baltischen Staaten hatte Estland 2011 den Vortritt in die Eurozone. Lettland folgt 2014. Litauen hofft auf 2015 und würde das 19. Mitglied des Währungsverbundes.

Im Baltikum wolle man nicht als einziges Land draußen bleiben, sagt Finanzminister Šadžius. Er befürchtet mit Blick auf Investitionen, sein Land könnte diskriminiert werden. Die Bedingungen für einen Beitritt nach den Maastricht-Kriterien sieht die Regierung in Vilnius bereits jetzt als erfüllt an.

Beim ersten Beitrittsversuch 2007 machte den Litauern die etwas zu hohe Inflation einen Strich durch die Rechnung. Mit 2,7 Prozent war die Grenze um einen Zehntelpunkt überschritten. Vilnius beklagte Erbsenzählerei und wollte die Entscheidung anfechten. Vergeblich. Danach geriet das Land in den Sog der Krise, das Bruttoinlandsprodukt sackte 2009 um 15 Prozent durch.

Es folgte eine Rosskur, die in einem der ärmsten Länder Europas besonders schmerzlich ausfallen musste. Die Staatsausgaben wurden um zwölf Prozent beschnitten, Steuervorteile und Freibeträge eingeschränkt. Renten wurden eingefroren, und selbst Präsidentin Dalia Grybauskaite konnte darauf verweisen, dass ihr Gehalt um 30 Prozent gekürzt worden sei. An dem ein Jahr später mit einem Plus von 1,5 Prozent folgenden Aufschwung konnte sie also einen ganz persönlichen Anteil geltend machen. Sehr viele Mitbürger ebenfalls, denen es aber weit übler erging. »Lohn- und andere Kostensenkungen haben die Wettbewerbsfähigkeit drastisch erhöht, und das bei festem Euro-Wechselkurs ohne Abwertung«, lobten die Wirtschaftsberater von Germany Trade & Invest. Die Reallöhne fielen tief: 2009 um 7,2 Prozent, 2010 um 4,3 Prozent und 2011 noch einmal um 1,3 Prozent.

Das Durchschnittseinkommen liegt in Litauen bei 600 Euro, das Mindesteinkommen bei nur 300 Euro. Auf der Eurostat-Rangliste der EU-Länder mit dem größten Anteil an Bewohnern, »die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind«, liegt Litauen auf Platz vier (33 Prozent). Die Jugendarbeitslosigkeit belief sich 2012 auf 26,4 Prozent.

Für das Jahr 2013 sagt die EU-Kommission nun ein Wachstum um real 3,1 Prozent voraus. Nur Lettland dürfte mit 3,8 Prozent in der EU etwas mehr zu bieten haben. Die Wirtschaft, insbesondere auch die im Baltikum stark engagierte deutsche, freut sich auf den Euro. Mit ihm hofft sie auf ein besseres Investitionsklima und sinkenden administrativen Aufwand.

Die Bevölkerung hat beim Euro hingegen keine Eile. Das bestätigte eine Umfrage der Zeitschrift »Veidas« in den großen Städten. Nur 7,2 Prozent der Befragten meinten, der Euro solle möglichst schnell eingeführt werden. 37 Prozent sprachen sich für einen späteren Zeitpunkt aus. Nicht wenige würden das Ereignis sogar über das Jahr 2020 hinaus schieben wollen. Über ein Fünftel der Befragten war völlig gegen die neue Währung. Die Regierung will nun mit mehr Informationen gegensteuern, eine Volksbefragung aber nicht riskieren.

Wenn die Entscheidung für den Euro gefallen sein wird, müssen rund 300 Millionen Münzen in Vilnius geprägt werden. Stücke mit der Jahreszahl 2007 und dem Hinweis »pavyzdys« (Probe) liegen bereits vor. Erst wenn die gültigen in den Umlauf kommen, wird der Test aber wohl richtig beginnen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.