Abrüstung an der Wasserfront
Umweltaktivisten treffen sich zum Elbe-Saale-Camp / Protest gegen Ausbau der Flüsse
Eigentlich waren die Zelte schon abgebrochen - mutmaßlich für immer. Im Juli 2011 hatten die Flussschützer, die seit 1993 alljährlich auf einer Wiese nahe der Elbfähre in Barby ein Camp veranstalteten und so gegen einen geplanten Ausbau des Flusses protestierten, ihr Ziel vermeintlich erreicht. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte die Saale kurz zuvor als »Restwasserstraße« eingestuft; der Bau eines 150 Millionen Euro teuren Kanals an ihrem Unterlauf schien vom Tisch. »Wir denken, dass dies das letzte Camp ist«, hieß es damals.
Gestern wurden unweit der Fährstelle wieder bunte Zelte aufgeschlagen. Auch 2013 gibt es ein Camp - es ist die nunmehr 21. Auflage. »Wir haben uns zu früh gefreut«, räumt Ernst Paul Dörfler, der Flussexperte des BUND, ein. Der Saale-Seitenkanal sei »eigentlich tot« gewesen. Doch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt vermag sich von dem Bauwerk, das auf einer Länge von zehn Kilometern gebaut werden und die Schiffbarkeit des Flusses verbessern soll, nicht zu trennen: Sie will den Kanal für den neuen Bundesverkehrswegeplan anmelden. »Wir müssen weiterkämpfen«, sagt Dörfler.
Dabei prognostizieren Gutachter für den Kanal nur geringe Frachtmengen. Problematisch für die Schifffahrt auf der Saale ist der Umstand, dass diese bei Barby in die Elbe mündet - einen Fluss, der oft zu wenig Wasser führt, um darauf rentabel Güterverkehr abwickeln zu können. Auch am Camp fahren allenfalls spärlich beladene Schiffe vorbei. Die Politik indes beharrt auf der Meinung, dies ändern zu können. So wie das Land den Saalekanal nicht preisgeben will, so beharrt der Bund auf dem Ausbau der Elbe. Diese solle, hieß es bei einer Elbe-Konferenz im März, »so ertüchtigt werden, dass sie mehr Verkehr aufnehmen kann«.
Dörfler kann über solche Äußerungen nur den Kopf schütteln. Seiner Meinung nach handelt es sich um eine Politik, die wider die Natur dieses Flusses gerichtet ist. Die Elbe sei, sagt er, »ein Fluss der Extreme« - was sie in diesem Sommer eindrucksvoll unter Beweis stellt. Keine acht Wochen ist es her, dass sie auf Rekordstände anschwoll; auf der Campwiese in Barby schauten nur noch Baumkronen aus dem Wasser. Jetzt aber hat sich der Fluss weit in sein sandiges Bett zurückgezogen. Auf das Hoch- folgte sofort ein Niedrigwasser.
Diesen Realitäten solle sich der Mensch anpassen, statt sie mit Macht bezwingen zu wollen, sagt Dörfler und verweist auch auf einen Vergleich zwischen den Hochwasserereignissen von 2002 und 2013. Die erste Jahrhundertflut ging für Sachsen-Anhalt noch glimpflich ab, weil in Nordsachsen und bei Wittenberg 21 Deiche brachen, was die Pegel flussabwärts sinken ließ. »Daraus hätte man lernen können, dass der Fluss Platz braucht«, sagt Dörfler. Statt dessen wurden die Deiche stabiler und höher gebaut - mit der Folge, dass 2013 auch unterhalb von Wittenberg Rekordpegel verzeichnet wurden und Deiche in Breitenhagen sowie Fischbeck brachen. Die Schäden in Sachsen-Anhalt sind mit 2,75 Milliarden Euro höher als vor elf Jahren.
Flussschützer wie Dörfler appellieren, daraus zu lernen: »Wir müssen unseren Frieden mit den Flüssen machen, statt immer weiter aufzurüsten.« Die Hoffnung, in der Politik auf offene Ohren zu stoßen, ist aber gering. Statt um Akzeptanz für Polder und die Rückverlegung von Deichen zu werben, vertröstet Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff die Menschen am Fluss auf DIN-gerecht sanierte Deiche. Dörfler lächelt müde: »Als ob sich die nächste Flut von einer Deutschen Industrienorm beeindrucken ließe!«
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