Wie sauer Bier
In Brandenburg reagieren immer seltener Firmen auf öffentliche Ausschreibungen
Auf die derzeit beträchtlichen Chancen, an Aufträge der öffentlichen Hand zu gelangen, wies dieser Tage die Auftragsberatungsstelle Brandenburg (Abst) hin. Insbesondere im Dienstleistungs- und Lieferbereich falle auf, »dass Vergabestellen derzeit Probleme haben, genug Unternehmen für ihre ausgeschriebenen Leistungen zu finden«. Die Zahl der Bewerber sei »erheblich gesunken«. Manche Vergabeverfahren müssten sogar aufgehoben werden, da kein einziges Angebot eingegangen sei.
»Wir möchten daher alle Unternehmen in Brandenburg ermuntern, sich stärker an Vergabeverfahren der öffentlichen Hand zu beteiligen«, sagte Abst-Geschäftsführerin Anja Theurer. Die Gründe für die Zurückhaltung ließen sich nur erahnen, fuhr Theurer fort. »Bewerbungen sind je nach Einzelfall mit einem bestimmten personellen und finanziellen Aufwand verbunden. Zudem rechnen sich Unternehmen oftmals kaum Chancen aus, da sie entweder in der Vergangenheit nicht berücksichtigt wurden oder mit einer hohen Anzahl an Mitbietern rechnen. Dies ist ein Trugschluss. Denn jede Ausschreibung ist ein neues Verfahren mit neuen Möglichkeiten. Durch die derzeit geringe Anzahl an Bewerbern stehen die Chancen insgesamt gut.«
Zudem könne ein großer Teil des Aufwandes durch ein entsprechendes Zertifikat mittels Eintragung in das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis der Abst eingespart werden, erklärte Theurer. Die Abst fungiert im Tagesgeschäft als Einrichtung der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern des Landes Brandenburg und berät Unternehmen und öffentliche Auftraggeber im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Sie bietet zudem eine kostenlose telefonische oder persönliche Beratung zur Bearbeitung von Angeboten für Unternehmen an, Tel.: (030) 374 46 07 14.
Seit einiger Zeit ist die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Bedingung geknüpft, dass den Beschäftigten mindestens ein Stundenlohn von acht Euro gezahlt wird. Kürzlich räumte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) auf Nachfrage ein, dass es »schwierige Vermischungstatbestände« geben könne. Das Problem dabei wäre, dass auf der einen Seite für einen Teil der vom Staat georderten Leistungen laut Vergabegesetz die Zahlung eines Mindestlohnes Voraussetzung für die Vergabe des Auftrags wäre. Auf der anderen Seite sind die Firmen jedoch an diese Bedingung nicht gebunden, wenn sie parallel Dienstleistungen für Dritte erfüllen.
Unter der Hand heißt es gelegentlich, dass man bei Staatsaufträgen der niedrigen Preise wegen kaum etwas verdienen könne. Höherer Kontrollaufwand und Unübersichtlichkeit bei der Umsetzung des Vergabegesetzes sind Kritikpunkte der Handwerkskammern in Brandenburg gewesen. Es laufe unter Umständen darauf hinaus, dass ein Unternehmen seinen Angestellten unterschiedliche Löhne zahlen muss - also einen bei der Abarbeitung von Staatsaufträgen, einen anderen bei sonstigen Aufträgen. Was dem Staat mit seiner Hoheit über dem Etat möglich sei, also einfach mehr Geld aus der Kasse zu holen, das sei aber keineswegs jedem Unternehmer möglich. Politisch stand bei der Erarbeitung des Vergabegesetzes der Gedanke Pate, dass die traditionell niedrigen Löhne in der gewerblichen Wirtschaft Brandenburgs einen Impuls zur deutlichen Erhöhung erhalten sollten. Daher wollte die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangehen und einen Mindestlohn vorschreiben, »von dem man leben kann«. Besser wäre ein bundeseinheitlicher gesetzlicher Mindestlohn, der sich jedoch auf Landesebene nicht durchsetzen lässt.
Ein Mindestlohn als Bedingung für öffentliche Aufträge ließ sich in Brandenburg erst durch die 2009 angetretene rot-rote Koalition einführen, weil die vorher mitregierende CDU gegen einen solchen Mindestlohn gewesen ist. Ursprünglich beabsichtigt war eine Lohnuntergrenze von 7,50 Euro pro Stunde. Verbindlich wurden dann 8 Euro. Allein für die Bewachung des Potsdamer Landtags steigen dadurch die Ausgaben des Landes um 80 000 Euro. Zum 1. Januar kommenden Jahres wird der Mindestlohn auf 8,50 Euro angehoben.
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