Geeignete Azubis gesucht
Landesunternehmen vergrößern ihre Bemühungen um Nachwuchs
»Wir wollen Sie dafür begeistern, eine Ausbildung oder ein Studium bei uns anzufangen«, eröffnet Norbert Schmidt zwei Dutzend OberstufenschülerInnen des Wilmersdorfer Marie-Curie-Gymnasiums auf deren Schulhof. Schmidt ist Personalvorstand der Berliner Wasserbetriebe (BWB) und an diesem Mittwoch zusammen mit Finanzsenator Ulrich Nußbaum hier, um die Wasserbetriebe als Ausbildungsplatz anzupreisen - bei den BWB ist das auch als Kombination von Studium und Ausbildung möglich.
Der Senator und der Manager geben auch Einblicke in die eigenen Biografien. So erfahren die jungen Leute etwa, dass Schmidt KFZ-Schlosser lernte, dann BVG-Busfahrer war und erst danach studierte. Nußbaum wusste nach dem Abitur nicht so recht, was er machen wollte, studierte Jura und ging nach dem Doktortitel (mit Bestnote) zu einer Reederei mit Fischhandel, weil ihn das Umfeld reizte.
Der kurze Auftritt von Nußbaum und Schmidt war Teil der erweiterten Werbeaktivitäten der BWB. »Die Bewerberqualität sinkt«, sagt Astrid Hackenesch-Rump, die stellvertretende Pressesprecherin der BWB. »Wir müssen den Kreis erweitern.« Dieses Jahr stelle sich der Landesbetrieb erstmals nicht nur an Haupt- und Integrierten Sekundarschulen vor, sondern auch an Gymnasien, erklärt BWB-Ausbildungsleiter Christian Kahmann. Er berichtet, dass auch die Zahl der Bewerbungen abnimmt: »2007 hatten wir mal ein Hoch: 7000 Bewerbungen auf 120 Ausbildungsplätze.« Dieses Jahr seien auf 80 verfügbare Plätze nur 2000 Bewerbungen gekommen, was Kahmann vor allem auf die kleinere Jahrgangsgröße zurückführt. »Wir stehen damit aber besser da als andere Landesunternehmen«, fügt der Ausbildungsleiter hinzu. »Zum Beispiel die Bezirksämter klagen da sehr.«
2012 machte der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) Berlin eine repräsentative Umfrage unter seinen 74 Mitgliedern. Demnach ist bei vielen Landesunternehmen die Anzahl qualifizierter Bewerber rückläufig, einige konnten Ausbildungsplätze nur nach mehreren Ausschreibungen oder gar nicht besetzen. »Es wird immer schwieriger, geeignete Bewerber zu finden«, sagt Silke Leicht-Gilles, Sprecherin des KAV. Die Eignung macht sie nicht nur von Schulnoten abhängig, sondern von den generellen Fähigkeiten. Ein Problem könne auch die abnehmende Beliebtheit einzelner Tätigkeiten sein. »Handwerkliche Tätigkeiten stoßen auf weniger Interesse«, hat Leicht-Gilles festgestellt.
»Wir wollen jedem eine Chance geben«, warb Senator Nußbaum deshalb in Wilmersdorf, »auch wenn die Noten nicht so gut sind«. Zumindest einige der angehenden AbiturientInnen wollen generell eine Ausbildung machen, berichten Schülerinnen des Marie-Curie-Gymnasiums. Sie haben in der Oberstufe den Wahlkurs »Studium und Beruf«, wo solche Fragen behandelt werden.
Dass die BWB nur 80 statt, wie noch vor einigen Jahren, 120 Ausbildungsplätze anbieten, liege daran, dass sie nun nur für den eigenen Bedarf ausbilden, wie Sprecherin Hackenesch-Rump sagt. Laut Bundesagentur für Arbeit wurden in Berlin dieses Jahr rund 11 800 Ausbildungsstellen gemeldet, 400 weniger als im Vorjahr.
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