Eine Drahteselei - doch von wem?
Im Nordosten zieht der Fall Backhaus Kreise
Schwerin (Agenturen/nd). Till Backhaus scheut vor nichts zurück. Ob hoch zu Ross bei der traditionellen Fuchsjagd, bei Treckerfahrten übers holprige Feld oder im politischen Disput um die Interessen ostdeutscher Bauern - Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister geht stets forsch zu Werke. Mitunter zu forsch und ungestüm, wie manch Wegbegleiter meint - und wie sich jetzt möglicherweise in einem ganz anderen Fall zeigen könnte. Die »Schweriner Volkszeitung« jedenfalls fragte am Donnerstag auf Seite 1 bereits: »Ist Backhaus noch tragbar?«
Bei einem Fahrradausflug mit der Familie soll sich Backhaus mit einem 69-jährigen Autofahrer angelegt haben. Nach Darstellung des Ministers war der am Sonntag in dem Örtchen Elmenhorst bei Rostock zu flott und zu knapp an ihm vorbeigefahren, als er mit seinem einjährigen Sohn im Anhänger mit dem Rad unterwegs war. Dass es zu Wortgefechten und schließlich auch zu einem Handgemenge kam, ist wohl unstreitig. Den Vorwurf aus der Strafanzeige des beteiligten Autofahrers, Backhaus habe ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen, weist der Minister aber entschieden zurück.
Nun liegen der Staatsanwaltschaft in Rostock zwei ausführliche Schilderungen zu ein und demselben Sachverhalt vor - mit teilweise konträren Aussagen. Beide sehen sich als Opfer und beklagen Verletzungen, die auch ärztlich dokumentiert worden seien. Über politische Folgen für Backhaus, der mit 15 Amtsjahren als Deutschlands dienstältester Minister gilt und zwischenzeitlich sogar Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten gehegt hatte, wird in Schwerin schon spekuliert.
Am Donnerstag nun kündigte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Backhaus an. Sie informierte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD), da Backhaus für die SPD im Parlament sitzt und so unter dem Schutz parlamentarischer Immunität steht. Legt Bretschneider binnen 48 Stunden kein Veto ein, können die Untersuchungen beginnen. Einem Landtagssprecher zufolge ist nicht mit Widerspruch zu rechnen.
Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Holger Schütt, sagte, könnten in dem Falle die Zeugenbefragungen kommende Woche beginnen. »Zunächst warten wir aber die Gutachten der Fachleute von der Dekra und von der Rechtsmedizin ab«, sagte Schütt. Zur Zeitdauer der Ermittlungen wollte er sich nicht festlegen. »Wir werden uns nicht treiben lassen. Es soll ja alles sauber aufgearbeitet werden«, erklärte er.
Der als populär, aber auch als leicht reizbar geltende Backhaus hatte sich nach dem Zusammenprall untersuchen lassen. Nach Angaben seines Anwalts fügte ihm der aus NRW stammende Cabrio-Besitzer blaue Flecken und eine Knieverletzung zu, als er versuchte davonzufahren. Backhaus› junge Ehefrau hatte die Polizei alarmiert. Seit Dienstag ist der Minister krankgeschrieben und außer Dienst. Das ist ungewöhnlich für den agilen 54-Jährigen. Selbst nach Knochenbrüchen, so nach einem Sturz vom Pferd, hatte er die Geschäfte weitergeführt.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!