Schnitzel nur gegen Fingerabdruck

Hamburger Grundschulen führen biometrisches Bezahlsystem ein

  • Celestine Hassenfratz
  • Lesedauer: 2 Min.

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Mittagszeit in einer Hamburger Grundschule. Sechs Stunden Unterricht liegen hinter den Kleinen. Der Magen knurrt. Große Kinderaugen blicken traurig auf die Nudelpfannen, Pommes Frites und Gemüsebeilagen in der Auslage, denn der Schulcaterer verweigert ihnen die Nahrungsaufnahme. Nur wenn sie ihren Fingerabdruck auf dem Identifikationssystem hinterlassen, wird aufgeschöpft auf ihre leeren Teller.

Was klingt wie aus einer düsteren Utopie, ist Realität an zwölf Hamburger Grundschulen: Hamburger Lokalmedien berichteten über den Fall, nachdem sich der Vater einer sechsjährigen Tochter an die Piratenpartei gewandt hatte. Seinen Schilderungen zufolge hatte die Adolph-Schönfelder-Schule im Hamburger Stadtteil Barmbek das neue Bezahlsystem mittels Fingerabdruck vergangene Woche eingeführt. Eltern konnten sich für oder gegen das sogenannten »Template-System« entscheiden. Doch trotz Widerspruchs des Vaters, gab es das Essen für seine Tochter nur gegen Fingerabdruck.

»Kindern bereits in der Grundschule beizubringen, dass es ganz normal ist, seinen Fingerabdruck gegen eine warme Mahlzeit einzutauschen, ist eine schizophrene Entwicklung«, sagt Sebastian Seeger, Spitzenkandidat der Piraten zur Bundestagswahl, in einer Pressemitteilung. Auf Anfrage des »nd« bestätigte Thomas Michel, Pressesprecher der Piraten in Hamburg den Vorfall: »Nachdem wir den Vorfall öffentlich gemacht haben, meldeten sich immer mehr Eltern bei uns, die sich über das Fingerabdruck-System beschwert haben«, sagte Michel.

Die Adolph-Schönfelder-Schule selbst war für Presseanfragen nicht zu erreichen. Philip Tonne, Sprecher der People & Projects IT GmbH, welche die Software zur Verfügung stellt, kann die ganze Aufregung nicht verstehen. »Niemand wurde gezwungen Fingerprints abzugeben«, erklärte Tonne gegenüber »nd«. Er räumte jedoch ein, dass bei der Registrierung der Schüler für das neue System, Fehler unterlaufen seien. Schüler seien fälschlicherweise gegen den Willen ihrer Eltern in das Fingerprint-System mitaufgenommen worden.

Grundsätzlicher sieht das Problem Sebastian Seeger von der Piratenpartei: »Einerseits wollen wir, dass unsere Kinder im Internet möglichst wenig von sich preisgeben. Andererseits lassen wir zu, dass Schulkantinen Daten abfragen, die ansonsten vor allem Strafverfolgungsbehörden erheben.« Ein Wahrnehmung, die man beim IT-Dienstleister nicht teilt, denn hungrig nach Hause gehen müsse in Hamburg kein Kind. Alternativ würden die Schulen noch ein zweites System anbieten. Doch dieses ist in Sachen Datenschutz nicht weniger bedenklich ist: Die Bezahlung mittels RFID-Chipkarte. Und bezüglich der Fingerabdrücke spricht Tonne sowieso lieber von »Klecksen«: »Das hört sich sympathischer an.«

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