Papierkrieg um Asien

Politposse füllt Stuttgarter Sommerpause

  • Marco Krefting, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
In Baden-Württemberg triezt die CDU die sozialdemokratische Integrationsministerin Bilkay Öney wie kein anderes Mitglied des grün-roten Kabinetts. Nun ist ausgerechnet der CDU-Fachfrau ein Lapsus passiert, den Öney prompt nutzt.

Stuttgart. Spinnefeind sind sich Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) und die Opposition im Land. Jüngst beantragte die CDU-Landtagsfraktion den Rauswurf der Ressortchefin. Öney soll der Union Rassismus vorgeworfen haben, sie selbst weist das zurück. Der Entlassungsantrag scheiterte, Grüne und SPD stärkten der Ministerin den Rücken. Doch der Knatsch zwischen der 43-Jährigen und ihren politischen Gegnern ist ein Dauerzustand. Bei einem anderen Geplänkel, dessen Anlass schon ein wenig zurückliegt, verpasste Öney der CDU eine Art schriftliche Backpfeife. In einer Stellungnahme zu einer CDU-Anfrage unter dem Titel »Asiatische Migranten: Unerkannte Potenziale im toten Winkel der Integrationspolitik?« bündelt ihr Ministerium die ersten fünf Fragen und schreibt: »Die Fragen der Antragsteller, die pauschal ›Asiaten‹ bzw. ›asiatische Migranten‹ betreffen, sind einer sachgerechten Beantwortung nicht zugänglich.« Pikant daran: Das Dokument hat die CDU-Abgeordnete Katrin Schütz eingereicht, ihres Zeichens Vorsitzende des Integrationsausschusses. »Das fand ich schon eine Frechheit«, sagt Schütz nun. So habe noch nie ein Ministerium einen Antrag abgefertigt.

Öney argumentiert unter anderem, dass Staaten wie Russland, die Türkei und Indonesien nicht nur auf dem asiatischen Kontinent liegen. Zudem sei das zahlenmäßige Gewicht der aus der Türkei, aus Russland und Kasachstan stammenden Migranten in Baden-Württemberg erheblich - und somit nicht mit Laos oder Kambodscha in einen Topf zu werfen. Die in Asien lebenden Völker seien ethnisch, sprachlich, kulturell und konfessionell derart unterschiedlich, »dass sich eine pauschale Betrachtung in jeder Hinsicht verbietet«. Asiaten als geschlossene Gruppe zu sehen, sei auch inte- grationspolitisch nicht zielführend.

Spitz formuliert Öney: »Schon aus diesem Grund ist auch die in der Antragsbegründung enthaltene verallgemeinernde Annahme, ›Asiaten‹ verhielten sich - gemeint ist wohl: in Abgrenzung zu Migranten anderer Kontinente - ›vielfach zielstrebig und unauffällig‹, nicht nachvollziehbar.« Weiter heißt es: »Zudem wird durch die pauschale Zuweisung derartiger Merkmale einer klischeehaften Betrachtung ›der Asiaten‹ in Baden-Württemberg Vorschub geleistet, für die letztlich kein Nachweis geliefert werden kann.« In ähnlichen Anträgen geht es sonst tatsächlich sehr konkret etwa um Aramäer oder Ungarn.

Ein Zickenkrieg? Im Ministerium - mit rund 60 Mitarbeitern kleinstes Ressort im Land - wird auch schon mal über das Bombardement mit Anträgen der schwarz-gelben Opposition geächzt. Auf rund 100 CDU- und FDP-Anträge haben Öneys Leute schon federführend geantwortet oder zumindest einen Antwortbeitrag geliefert. Derzeit liegt eine dreiseitige Große Anfrage eines Liberalen vor, die dieser als »Leistungsabfrage« versteht. Haben die gepiesackte Ministerin und ihre Mitarbeiter die Steilvorlage für eine Retourkutsche genutzt? Schütz jedenfalls ist stinksauer: »Ich fühle mich nicht ernst genommen.« Sie wolle den Vorgang bei der nächsten Ausschusssitzung im Oktober thematisieren. »Ich werde aber keinen neuen Antrag stellen«, sagt sie.

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