Es war nur eine Frage der Zeit
Dem Rendite- und Global-Player-Kurs der Ära Mehdorn fielen auch viele Fachkräfte zum Opfer
Wie sich die Zeiten ändern. Noch vor einem Jahrzehnt wurde der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn gefeiert: Er sollte die angeblich »verstaubte« und »marode« Behördenbahn auf Vordermann bringen, verschlanken und kapitalmarktfähig machen. Für seine Börsenpläne hatte Mehdorn den Blankoscheck von SPD-Kanzler Gerhard Schröder bekommen. Selbst Gewerkschafter priesen damals den Börsengang als willkommenen Zugang zu »frischem Kapital« für die Infrastruktur. Heute gehört scharfe Kritik an der Mehdorn-Ära fast schon zum guten Ton in der Verkehrspolitik.
»Die Bahn ist ein privatisiertes Unternehmen, wir haben da nicht reinzureden«, erklärte dagegen ein Sprecher des damaligen Bundesverkehrsministers Wolfgang Tiefensee (SPD) im Jahr 2005. Vorausschauende Bahnpolitik fand nicht mehr statt und wurde an den Berliner Bahntower delegiert. Anstatt sich um den Zustand der In-frastruktur, der Berliner S-Bahn und anderer Unternehmenssparten zu kümmern, baute Mehdorn den Konzern zum »Global Player« im Logistikbereich aus, der um die Vorherrschaft in Europa und der Welt kämpft.
Zu Schröders und Mehdorns Zeiten schwammen Privatisierungskritiker wie das Aktionsbündnis »Bahn für Alle« jahrelang gegen den Mainstream. Mit Argumenten, Fakten und Zahlen fanden sie zunehmend ein Echo. Auch die SPD-Basis muckte immer häufiger auf. Davon unbeeindruckt genehmigte der Bundestag im Mai 2008 die Teilprivatisierung. Dass es im Oktober 2008 nicht dazu kam, war vor allem der hereinbrechenden Wirtschaftskrise geschuldet. Aus Angst vor heftigen Turbulenzen wies der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) Mehdorn in letzter Minute an, den Börsengang abzusagen.
Mehdorn schied nach einem Schnüffelskandal 2009 vorzeitig aus. Doch die DB-Manager blieben seiner Linie treu und setzten weiterhin auf Börsenfähigkeit, Rendite und strikte Personaleinsparungen. Erfahrene Fachkräfte wurden nach Hause geschickt, der Nachwuchs vernachlässigt. Die politischen »Aufseher« im Aufsichtsrat ließen ihnen freie Hand. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die Probleme nicht mehr zu vertuschen waren: Die Berliner S-Bahn-Misere, Sommerchaos mit defekten Klimaanlagen, Winterchaos und jetzt die Lähmung des Mainzer Hauptbahnhofs sind nur Glieder einer langen Kette. Lediglich der Improvisation, Opferbereitschaft, Flexibilität und Disziplin der Eisenbahner ist es zu verdanken, dass vieles noch läuft. »Die Probleme sind typisch und hausgemacht«, sagt Kathrin Senger-Schäfer, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei aus Mainz. »Wenn Dienstleistungen für die Menschen der Profitmaximierung dienen sollen, wirkt sich das immer gegen die Menschen aus.«
Nun fallen Bahnmanagement und politischen Entscheidungsträgern die Probleme auf die Füße. Die scharfe Kritik an den Zuständen und der hektische Aktionismus der SPD-geführten Landesregierung in Rheinland-Pfalz, den sie mit einem noch in dieser Woche geplanten »Runden Tisch« an den Tag legt, sollten eines nicht verdrängen: Es war der langjährige Ministerpräsident Kurt Beck, der 2008 als SPD-Bundesvorsitzender die geplante Bahnprivatisierung mit einfädelte.
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