Lothar Bisky gestorben
Die Nachricht kam gestern am späten Nachmittag, sein Freund und langjähriger politischer Weggefährte Gregor Gysi teilte Biskys Tod »auf Bitte der Familie« und »in tiefer Trauer« mit. Insgesamt elf Jahre lang stand Lothar Bisky an der Spitze seiner Partei, wurde von der PDS 2003, drei Jahre nach seinem ersten Abschied, in das Amt des Vorsitzenden zurückgebeten, als es schlecht um sie stand. Er folgte diesem Ruf, obwohl er eigentlich genug hatte, die »finale Mülltonne« für all ihre internen Probleme und Querelen zu spielen, wurde einer der Architekten ihres Neuaufstiegs als endlich ost-west-vereinigte Linkspartei. Bisky war Abgeordneter im Brandenburger Landtag, im Bundestag, dann bis zu seinem plötzlichen Tod im Europa-Parlament - in Potsdam und Straßburg auch als Fraktionsvorsitzender.
Brücken zwischen Osten und Westen zu schlagen, sich um vorurteilsfreies Verständnis und eine Linke ohne ideologische Scheuklappen zu bemühen, das war sein Lebenswerk. Der Medien- und Kulturwissenschaftler wurde 1941 im pommerschen Zollbrück (heute: Korzybie) geboren, flüchtete bei Kriegsende mit seiner Familie nach Schleswig-Holstein und entschloss sich als 18-Jähriger, in die DDR überzusiedeln. Nach einer kurzen Tätigkeit in einem Leipziger Blechverformungswerk studierte er Philosophie an der Humboldt Universität Berlin. 1986 wurde er als Professor an die Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam berufen, deren Rektor er bis 1990 war - von seinen Studentinnen und Studenten schon weit vor der Wende geschätzt, weil er ihnen Freiräume für ein ungegängeltes künstlerisches Schaffen ermöglichte, ihre Arbeiten auch gegen eine häufig schwer argwöhnische Parteiobrigkeit verteidigte. Für »neues deutschland« engagierte sich Lothar Bisky einige Jahre lang als Herausgeber, freute sich auch darüber, dass er sich über manches in der Zeitung ärgern konnte.
Die LINKE verliere »einen streitbaren und solidarischen Genossen und einen Ratgeber«, schrieben deren Vorsitzende Katja Kipping und Bernd Riexinger gemeinsam mit dem Bundestags-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi. »Er hat uns inspiriert und uns Halt gegeben. Die Linke in Deutschland und Europa der letzten 23 Jahre ist ohne ihn nicht zu denken«, erklärte LINKE-Geschäftsführer Matthias Höhn. Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir nannten Bisky einen überzeugten Europäer - »streitfreudig, immer fair und an ehrlichen Diskussionen interessiert«. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sprach von einem »menschlich großartigen Kollegen«. Biskys Tod sei ein »schwerer Verlust für die pragmatische Linke Europas«.
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