Zusammengepfercht in schimmeligen Buden
Niedersächsischer Kreis schließt Elendsquartiere
Räume mit Schimmel an den Wänden, ein nahezu fensterloser Saal, ehemalige Ställe: Quartiere für nicht wenige Arbeiter im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg. Betroffen sind vor allem Menschen aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien, die in der von Massentierhaltung geprägten Region in der Fleischindustrie tätig sind, aber auch im Metallgewerbe. Die Vermieter der Elendsquartiere machen Profit aus der Bedrängnis, stecken sich reichlich Geld in die Taschen und verfahren nach dem Motto: möglichst viele Menschen auf möglichst wenig Quadratmetern.
Teams der Cloppenburger Kreisverwaltung hatten 281 Unterkünfte unter die Lupe genommen, in denen insgesamt 3144 Arbeitnehmer untergebracht sind - oder waren, denn: 26 Quartiere waren so schlimm, dass sie geschlossen und geräumt werden mussten. In 54 weiteren Fällen waren »gravierende Mängel« festgestellt worden, die ein sofortiges Einschreiten der Behörden erforderlich machten. Kein Brandschutz, unzumutbare hygienische Verhältnisse, viel zu viele Menschen auf viel zu wenig Platz; das stellten die Prüfer fest. In eine frühere Gaststätte zum Beispiel waren 50 Arbeiter gestopft worden. Höchstens 28 Menschen hätten dort wohnen dürfen.
Gegen diejenigen, die für die menschenunwürdigen Zustände verantwortlich sind, leitet der Landkreis nun Ordnungswidrigkeits-Verfahren ein - in insgesamt 117 Fällen. Den Vermietern droht dadurch zumindest ein teilweiser Verlust des Profits, den sie durch ihre Gier zu Lasten der Arbeiter machten. Landrat Hans Eveslage (CDU) jedenfalls hat angekündigt: »Bei der Bemessung der Bußgelder werden wir den durch die unrechtmäßige Nutzung erzielten wirtschaftlichen Vorteil mit abschöpfen.« Es gebe aber auch gute Unterkünfte, betont der Verwaltungschef.
Ähnliche Zustände wie in Cloppenburg ergaben aktuelle Überprüfungen im Nachbarkreis Vechta. Auch dort will die Verwaltung massiv gegen Vermieter unzumutbarer Quartiere vorgehen. Beide Kreise agieren offensichtlich konsequenter als die Stadt Papenburg im nahen Emsland. Dort hatten Mitte Juni zwei Rumänen beim Brand in einer Unterkunft für Werkvertragsarbeiter den Tod gefunden. Nachbarn berichteten, mehrmals hätten sie das Ordnungsamt darauf aufmerksam gemacht, wie »unheimlich eng« die Menschen in dem Gebäude leben müssten. Doch die Behörde sei nicht eingeschritten. Die Zeitarbeitsfirma, bei denen die Männer unter Vertrag standen, wies den Vorwurf der Überbelegung zurück. Und Papenburgs Bürgermeister beschied, das Feuer sei ja nicht auf die Belegung des Gebäudes zurückzuführen gewesen.
Bislang ist nicht einheitlich geregelt, wie viele Menschen in einem Arbeiterquartier untergebracht werden dürfen. Die Niedersächsische Bauordnung verlange nur »gesunde Wohnverhältnisse«, gab der Sprecher des Landkreises Cloppenburg, Ansgar Meyer, im Gespräch mit »nd« zu bedenken. In Cloppenburg gibt es dagegen Mindestvorgaben für Quartiergeber: Höchsten vier Betten in einem Raum, acht Quadratmeter Fläche pro Bewohner, und alle Zimmer müssen über einen Flur erreichbar sein.
Das Land soll nun Unterkunft-Standards für ganz Niedersachsen festsetzen. Diesen Wunsch haben Landrat Eveslage und Amtskollegen aus fünf weiteren Landkreisen gestern gegenüber Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geäußert. Der Regierungschef hatte sich in der Region über die Problematik informiert.
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