»Vier gute Jahre« mit der FDP

Da die Liberalen nichts Konkretes anzubieten haben, bleibt auch ihre eigene Zukunft ungewiss

  • Claus Dümde
  • Lesedauer: 4 Min.
Rund sechs Wochen vor der Bundestagswahl ist die Zukunft der FDP völlig ungewiss, obwohl sie die jüngsten Umfragen am 22. September über der Fünf-Prozent-Hürde sehen. Doch darauf wetten will nicht mal Parteichef Philipp Rösler.

Dass es selbst mit dem erneuten Einzug der FDP in den Bundestag mangels Mehrheit keine Neuauflage von Schwarz-Gelb geben könnte, treibt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle weit mehr als die Bundeskanzlerin um. Sie könnte ja auch mit SPD oder Grünen weiter regieren. Der FDP aber droht mit einer Minifraktion in der Opposition das politische Aus.

Das Bild der Partei in der Öffentlichkeit ist derzeit paradox. Spitzenkandidat Brüderle kann infolge seines Sturzes mit Arm- und Beinbruch nach dem Besuch des Zuckmayer-Stücks »Zum fröhlichen Weinberg« Wahlkampf noch immer nur per Interviews, Artikeln und Telefon machen. Und Vizekanzler Rösler, der in den letzten Wochen auch noch für die urlaubende Regierungschefin in Berlin die Stellung halten musste, macht zugleich Brüderles Job. Er hetzt in der Provinz von einem zum nächsten Termin der »Sommertour« der FDP-Fraktion und gibt jeder Menge Lokal- und Boulevard-Blättern Interviews. Dabei trifft er solch gewichtige Aussagen wie »Deutschland ist der Stabilitätsanker in Europa« und »Die Welt beneidet uns um unseren wirtschaftlichen Erfolg«.

FDP knausert diesmal mit Versprechungen

Letzteres mag sein, doch hierzulande schlägt sich dies nicht etwa in zunehmender Wählerabsicht nieder, ihr Kreuz bei der FDP zu machen. 2009 versprach sie Steuersenkungen. Und kam auf 14,6 Prozent, zog mit 92 Abgeordneten in den Bundestag ein. Fast zwei Drittel können nicht mit ihrer Wiederwahl rechnen. Verständlich, da die meisten früheren Wähler weder »Mehr Netto vom Brutto« bekamen, noch anderweitig vom »wirtschaftlichen Erfolg« der Banken, Aktionäre und Manager profitierten. Auch weil Brüderle wie Rösler diesmal mit nachprüfbaren Versprechungen knausern. Nicht, weil sie weniger skrupellos als seinerzeit Amtsvorgänger Guido Westerwelle wären. Aber wohl, um sich bei Kanzlerin Angela Merkel weiterhin als bequemer Mehrheitsbeschaffer zu empfehlen.

Bleibt für die FDP-Führung die schwierige Frage, wie man dennoch genügend Wähler ködern kann, um es wieder in den Bundestag und dann noch ins dritte Kabinett Merkel zu schaffen. Die Stammklientel der FDP, deren Interessen sie stets treu verfochten hat, dürfte kaum mehr als drei Prozent der Wahlberechtigten umfassen. Und verlassen können sich FDP-Politiker auf sie auch nicht. Vergnatzt wählten nicht wenige schon mal CDU oder CSU, wohl sogar Grün. Am 22. September könnte es womöglich auch die Euro-feindliche AfD sein.

Vor allem Brüderle versucht’s seinen Reinfällen dieses Jahres zum Trotz weiter mit Populismus. Der zu simplen Kampagne seiner Partei »Gut gemacht, FDP!«, in der - reale oder fiktive? - Bürger rekrutiert wurden, um Rösler und Co. für deren vermeintliche Wohltaten per Bild und Text zu danken, stellt die Fraktion eine eigene Kampagne »Vier gute Jahre für Deutschland« entgegen. Sie lässt im Vagen, für wen sich die jüngsten vier Jahre Schwarz-Gelb im Bund wie ausgezahlt haben. Aber der 68-jährige Politprofi trägt die griffige Losung wie ein Mantra vor sich her. Garniert mit nationalistischen Sprüchen. »Ich will keine französischen Verhältnisse durch Rot-Grün in Deutschland«, tönte er im ARD-Sommerinterview, verbunden mit seinem Kalauer »Gönnen Sie sich was Gutes, wählen Sie FDP«. Denn nur in einer schwarz-gelben Koalition seien Steuererhöhungen ausgeschlossen. Beim ZDF derselbe Sound: »Keinem Land geht es besser als Deutschland«, aber auch: »Kein Land in Europa zahlt mehr als wir«. Man müsse FDP wählen, »damit Deutschland stark bleibt«, so Brüderle. Und stellte dann erneut - genau! - weitere »vier gute Jahre« in Aussicht.

Für wen? Im Berliner »Tagesspiegel« ließ Gastautor Brüderle kürzlich keinen Zweifel daran: »Beim Mietwohnungsmarkt brauchen wir keine Mietbremsen«, schrieb er. »Markteingriffe sind kontraproduktiv. Die FDP setzt sich auch bei der Schaffung von Wohnraum für klare Rahmenbedingungen einerseits und die Freiheit der Marktteilnehmer andererseits ein.« Der Spitzenkandidat machte so deutlich, was hinter seiner Position »Priorität für Eigenverantwortung - der Staat ist subsidiär« steckt: Er soll wohl allenfalls mit Gerichtsvollziehern und Polizei von Vermieteranwälten erwirkte gerichtliche Räumungsbefehle durchsetzen …

Klartext für die eigene Klientel

Auch Rösler spricht manchmal Klartext. So antwortete er im Interview für das Berufsnetzwerk Xing auf die Frage »Wofür steht die FDP?« knapp: »Für die Freiheit des Einzelnen und für Eigenverantwortung«. Offenbar fordert er deshalb trotz Absagen von Kanzlerin und Bundesfinanzminister weiter einen »klaren Abbaupfad« für den Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Kapitalertragsteuer »in der kommenden Legislaturperiode«. Verständlich, denn davon fühlt sich vor allem die Klientel der einst von Generalsekretär Werner Hoyer als »Partei der Besserverdienenden« definierten FDP in ihrer Freiheit und Eigenverantwortung arg eingeschränkt.

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